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Auf ewig und einen Tag - Roman

Titel: Auf ewig und einen Tag - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Joy Arnold Angelika Felenda
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wohl eher abstoßend als romantisch. Als ich in meinem Bett lag, hatte ich das sprudelnde Blut gespürt, und mir war klar, dass dies sicher die schlimmste Art war, auf die ein Mensch sterben konnte. Vielleicht hatte er die Geschichte nicht bloß zufällig geschrieben, sondern sie war ein Zeichen, ein göttlicher Fingerzeig, eine Möglichkeit, um ihn an unsere Welt zu erinnern. Ich wischte mir übers Gesicht. »Hey, weißt du was, Justin? Weißt du, was helfen würde? Vielleicht könntest du mir ein paar von deinen Geschichten vorlesen?«
    Justin sah mich an, als hätte ich den Verstand verloren, und ich glaubte, seine Gedanken lesen zu können. Leslie flippt nie so aus, dachte er sicher. Ich warf die Schultern zurück. »Wie damals, als wir Kinder waren. Das hat mich immer alles vergessen lassen, mich zu einem anderen Menschen gemacht.«
    Justin nickte bedächtig und überlegte. Schließlich lächelte er. »Ich hatte ohnehin keine Lust, mich an die Arbeit zu machen. Wenn du das wirklich willst, wenn du tatsächlich meinst, dass es dir hilft. Aber du musst mir versprechen, nicht zu lachen, oder ich näh dir die Lippen zu. Ich bin nämlich sehr leicht zu verletzen.«
    Ich wollte hochhüpfen, in Modern-Movement-Pirouetten herumwirbeln. Stattdessen verdrehte ich die Augen. »Du bist vielleicht ein Weichei«, sagte ich.
    Ich zog mich schnell an und folgte Justin in sein Büro. Mein
Herz klopfte wie wild. Ich stellte mir vor, wie Eve reagierte, wenn ich es ihr erzählte, wie sie die Achseln zucken und so tun müsste, als machte es ihr nichts aus. Und ich würde ihr alles beschreiben, wie er mich angelächelt hatte, den Ausdruck seines Gesichts, und sie so lange bearbeiten, bis auch sie von dem prickelnden Gefühl gepackt wurde.
    Im Büro kniete sich Justin auf den Boden, begann die losen Blätter einzusammeln und wirkte plötzlich aufgeregt. »Es ist ein echtes Durcheinander, nicht in die Form einer Geschichte gebracht, sondern bloß eine Reihe von Erzählungen, die keinerlei Chronologie haben.«
    Er schichtete einen Stapel Blätter auf und krempelte die Ärmel über die Ellbogen hinauf. Ich betrachtete die Venen an seinen Armen, während er die Blätter durchsah, die verletzliche Mulde in seinem Nacken, über der die von der Sonne ausgebleichten Haarspitzen lagen. Schließlich warf er den Stapel in die Luft, sodass die Blätter um uns herumflatterten. »Nimm eine Seite, irgendeine.«
    Ich strich mit dem Finger über die krakelige Schrift auf dem Blatt, das in meinem Schoß gelandet war, und reichte es ihm. Er warf einen Blick darauf. »Okay, gute Wahl.«
    Auf den Ellbogen aufgestützt, lehnte er sich neben mich, und ich schloss die Augen und hörte zu. Seine Stimme war weich und tief, und ich ließ mich davon forttragen, sah das Sumpfland, wo die Feen wohnten, sah die kleine Morwyn mit dem blauen Gesicht, die gestrandet im Schilf zurückblieb.
    »›Acht Jahre lang hatte Morwyn mit dem Feenvolk dort gelebt‹«, las er, »›so lange Zeit, dass ihr blaues Haar bis über ihre Knie hinabgewachsen war, genügend lange, um sich zu fragen, ob es im Leben noch mehr zu lernen gab. Jede Nacht blickte sie
in den weiten Sternenhimmel hinauf und wartete auf die Zukunft, die sich wie die tosenden Wellen anfühlte, die gegen ihre Brust schlugen. Und während die Feen sie beobachteten, sahen sie, was die Zukunft bringen würde, und hatten Angst.‹«
    Justin hielt inne, ich öffnete die Augen und stellte fest, dass er mich eindringlich musterte. Er wurde rot, und ich blickte weg. »Möchtest du eine andere hören?«
    Und so verbrachten wir den Tag und sahen die Seiten durch. Er, auf einen Ellbogen aufgestützt, ich, auf dem Rücken neben ihm liegend, mit abwesendem Blick, lauschend und träumend. Ich wartete auf den Moment, wenn unsere Blicke sich treffen würden, weil jedes Mal, wenn er in meine Richtung sah, etwas zwischen uns ausgetauscht wurde, etwas Silbriges, dünn wie Gaze. Das Nachmittagslicht begann zu schwinden, doch statt die Lampe anzuknipsen, griff Justin nach einer Taschenlampe und las in der Dunkelheit, die uns zusammenhielt, weiter.
    Als er fertig war, setzte er sich aufrecht hin und schichtete die Blätter zu einem Stoß auf. »Das war erstaunlich«, sagte er. »Absolut verblüffend. Monatelang hab ich das alles geschrieben, aber aus irgendeinem Grund hab ich mich jetzt zum ersten Mal hingesetzt und das ganze Zeug gelesen.« Er lächelte zaghaft. »Findest du, dass es etwas taugt?«
    »Es ist einfach

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