Auf ewig und einen Tag - Roman
Wo hast du das denn aufgeschnappt?«
Ich zuckte die Achseln und überlegte schnell. »In der Schule. Wir nehmen gerade …«, wieder lächelte ich strahlend, »Wurzeln durch.«
LoraLee sah mich eindringlich an, dann ging sie in die Küche. Sie öffnete eine Schranktür und deutete auf Reihen mit beschilderten
Erdnussbuttergläsern und Margarinebechern, die mit Pulvern in allen Varianten von Bräunlichgrau gefüllt waren. Schneckenmoos , las ich, und Betelnuss.
»Siehst du die hier?«, sagte sie. »Das sind die Gewürze, die ich für meinen Tee verwende. Richtig gemischt, tun sie deinem Magen gut.« Sie sah mich scharf an. »Mischst du sie falsch, wird es dir leidtun. Das hier ist Liebstöckelwurzel. Sie ist fürs Herz, wie der Name schon sagt.«
Sie reichte mir ein Plastiktütchen mit braunem Pulver. Ich schnupperte daran und nahm das süßlich Erdige wahr, das ich oft in ihrem Tee geschmeckt hatte.
»Das hab ich für dich gebraut, als dein Herz gebrochen war, weil du deinen Daddy vermisst hast, mit einem Hauch Himbeeröl dazu.«
Sie drehte sich wieder zum Schrank um. Mit rasendem Puls öffnete ich das Säckchen und stopfte eine Handvoll in meine Tasche. Als LoraLee ein Glas mit einer pinkfarbenen Flüssigkeit herausnahm, schloss ich das Säckchen. »Gut, um die Seele zu beruhigen«, fügte sie abschließend hinzu.
Ich wischte mir die Hände an meinen Jeans ab. »Glaubst du, dass es wirklich hilft?«
LoraLee inspizierte das Säckchen, das ich ihr zurückgab, und sah mir dann in die Augen. »Die sind schwierig, die Sachen mit dem Herz.«
Ich ging zum Fenster und stützte die Ellbogen auf dem gesplitterten Holzsims auf. Selbst zur Mittagszeit wirkte die Sonne weit weg. Ich konnte sie mit dem Daumen abdecken. »Warst du je verliebt?«, fragte ich.
LoraLee gab einen seltsam brummenden Laut von sich und setzte sich dann auf einen Stuhl am Tisch. »O Kerry.«
Plötzlich vorsichtig geworden, setzte ich mich neben sie. Ich hatte LoraLee nie als wirkliche Person mit wirklichen Träumen und Wünschen angesehen. Ich glaube, ich dachte, sie stand über solchen Dingen.
»Sein Name war Hector«, sagte sie nach einer Weile. »Vor etwa vierzig Jahren hat er mit mir in Atlanta gelebt und sich fast zu Tod geschuftet, weil sein Traum war, in den Norden raufzugehen und auf Pfarramt zu studieren.«
»Hat er dich verlassen?«
»Ja, er ist fortgegangen, aber bevor er gegangen ist, hat er mir diesen Ring geschnitzt.« Sie streifte den dicken Holzring vom Finger. »Und er hat gesagt: ›Diesen Ring, mein Herz, geb ich dir, während ich den Herrn suchen geh. Er wird mir sicher sagen, was ich am besten tun soll‹, hat Hector gesagt, ›entweder entscheide ich mich für meine größere Liebe, dann komm ich zurück und fordere mein Herz von dir zurück, oder ich verspreche mich auf Ewigkeit - das eine oder das andere.‹«
Ich beobachtete, wie LoraLee den Rand des Holzrings streichelte. Als ich es nicht mehr aushielt, fragte ich: »Und dann? Was ist passiert, als er zurückkam?«
LoraLee zuckte die Achseln. »Ich warte immer noch.«
Ich starrte sie an. »Aber das sind jetzt vierzig Jahre.«
»Vierzig Jahre, und ich hab immer noch sein Herz.« Sie streifte den Ring wieder an den Finger. »Und er hat immer noch meins.«
Ich sah sie an, nicht sicher, was ich sagen sollte, ob ich sie trösten oder bemitleiden sollte. In ihren strahlenden Augen sah ich Träume, die einst so real waren, dass sie im Kopf von zwei Menschen existierten, doch jetzt waren sie verflogen wie Geburtstagswünsche. Und plötzlich sah ich mich selbst in vierzig
Jahren, sah die Falten um meine Augen, während ich Justin betrachtete, der grauhaarig war und Leslie an seiner Seite hatte. Sie hatten Kinder und Enkelkinder großgezogen und hielten sich immer noch an der Hand. Sie redeten über die Vergangenheit und waren froh und dankbar um alles. Und ich sah mich selbst, wie ich Justin mit seiner größeren Liebe beobachtete und immer noch darauf wartete, sein Herz zurückzugewinnen.
Ich sah auf die Uhr. Noch zwei Stunden. Es war Zeit, mich anzuziehen. Ich durchwühlte den Schrank, den ich mit Eve teilte. Ich probierte einen indischen Rock, einen Jeansrock und meinen karierten Schottenrock an. Alles nicht das Richtige.
Langsam geriet ich in Panik. Meinen gestreiften Hosenanzug? Gott, nein, darin wirkte ich wie die Mischung aus einem Clown und einem Sträfling. Das rosa Brautjungfernkleid? Darin sah ich aus wie eine Tortendekoration. Meinen blauen Pullover? Viel
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