Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Auf ewig und einen Tag - Roman

Titel: Auf ewig und einen Tag - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Joy Arnold Angelika Felenda
Vom Netzwerk:
den Rasen. Doch als ich an Justins Büro vorbeikam, blieb ich stehen und spähte durchs Fenster. Kurz darauf öffnete ich die Tür.
    Anfangs wollte ich mich nur in die Mitte des Raums setzen und seine Aura in mich aufnehmen. Aber sobald ich drinnen war, verlor ich einen Kampf gegen mich. Eine Seite versuchte, Moral zu predigen, während die andere, die verzweifelte und schließlich stärkere Seite entschied, dass ich genauso gut die Papiere auf dem Boden lesen konnte, nachdem sie zufällig in Reichweite waren. Ich suchte nach einem Geheimnis, nach irgendeinem Hinweis, wie ich einen Zugang zu seiner Seele finden könnte. Doch was ich stattdessen fand, war pure Magie.
    Die Geschichten waren kurz, manche nur eine Seite lang, aber gemeinsam bildeten sie eine Welt, die ich seit Jahren nicht mehr gesehen hatte, die Welt, die Justin und ich Hand in Hand durchwandert hatten. Ich war Morwyn, das Waisenmädchen, das (trotz seines blauen Gesichts und seiner gelegentlichen Griesgrämigkeit) unwiderstehlich reizvoll war. Und Justin war Gaelin, der Junge, der seine Zeit damit verbrachte, ihre Welt oder nahe gelegene Planeten zu retten, und dessen Schicksal es war, Morwyns wahre Liebe zu sein. Während ich las, befreiten mich die Geschichten von der Last der realen Welt, und zurück blieb die Schlichtheit der Tage auf der Vorderveranda, eine Zeit, als das Einzige, was zählte, wir drei waren.
    Ich war so verzaubert von den Geschichten, dass ich Eve
nicht hörte, bis ihre Füße direkt vor meinem Gesicht auftauchten. »Alle suchen nach dir«, sagte sie. Ihre Stimme hörte sich seltsam gekünstelt an.
    Ich ließ die Seite fallen, die ich gerade las, und sprang auf.
    »Keine Sorge, ich werde nichts verraten.« Ihr Blick war ruhig und taxierend. »Er hat vor, Leslie zu heiraten, weißt du.«
    Ich beugte mich hinab, um die Papiere wieder so auf dem Boden zu verteilen, wie sie vorher gelegen hatten. »Das bezweifle ich.«
    »Er kauft einen Ring und alles.«
    Ich blickte auf. »Einen was?«
    »Einen Verlobungsring. Er hat mich nach meiner Meinung gefragt, wegen des Stils. Nächste Woche nimmt er die Fähre hinüber. Ich hab gesagt, mir gefallen ovale Marquise-Ringe am besten.«
    Ich versuchte, ihren Gesichtsausdruck zu deuten, aber er war vollkommen gleichgültig, ganz so, als würde sie eine Konjugationstabelle lateinischer Verben verlesen.
    Sie strich mir eine Haarsträhne hinters Ohr und lächelte verständnisvoll. »Er will sie fragen, wenn sie nächsten Frühling ihren Abschluss macht, um sie davon abzuhalten, aufs College zu gehen. Lass ihn nicht wissen, dass ich’s dir gesagt habe, weil ich geschworen habe, es nicht zu tun. Aber du warst so verzückt in letzter Zeit, und ich will nicht, dass du dir weitere Hoffnungen machst oder so was.«
    »Ich mach mir keine Hoffnungen«, erwiderte ich schnell. »Ich meine, wenn er wirklich Leslie heiratet, dann bin ich sowieso zu gut für ihn.« Wie konnte er Leslie heiraten? War sie seine Leidenschaft? Hatte er je an mich gedacht? »Glaubst du, dass sie Ja sagt?«

    Eve fasste ihre Haare zusammen und steckte sie zu einem anmutigen Knoten auf. »Ich kann dir nur sagen, dass ich gesehen habe, wie sie sich in die Augen blicken. Es ist wie Magie. Ich schätze, nächstes Jahr um diese Zeit trägt sie einen Ring am Finger und ist schwanger.« Eve zog die Augenbrauen hoch und grinste. »Ich wette, sie haben’s schon getan.«
    Dann bemerkte ich eine Veränderung in ihrem Ausdruck, eine Erwartungshaltung, die mich sauer machte. Sie wollte etwas von mir, obwohl ich mir nicht sicher war, was. »Na ja, sie sind schrecklich jung«, sagte ich mit angespannter Stimme. »Ich gebe ihnen drei Jahre, höchstens.«
    Daraufhin flackerte etwas wie Zufriedenheit in Eves Augen auf, aber ich lächelte und gab vor, es nicht bemerkt zu haben. Weil es im Umgang mit Eve Momente gab, in denen es besser war, nicht allzu genau hinzusehen.
     
    An diesem Abend ging ich zu LoraLee hinüber. Die Luft war kalt, aber vom Geruch mit Holz geheizter Öfen erfüllt, der durch das Meersalz noch verstärkt wurde. Eine Mischung, die nur Leute kennen, die das ganze Jahr über auf der Insel leben. Ich stand an ihrem Zaun und sah durchs Fenster, während sie eine Kerze anzündete und in die Flamme starrte. Ich hatte sie schon früher beten sehen, gesehen, wie sich Ruhe auf ihr Gesicht legte, die Falten und Rundungen einebnete, sodass sie irgendwie unfertig aussah, wie eine ihrer rohen Schnitzarbeiten, denen sie zwar ein Profil, aber

Weitere Kostenlose Bücher