Auf ewig und einen Tag - Roman
unbeschreiblich.«
Er strich mit dem Finger über das schwache Lichtoval, das die Taschenlampe warf. »Weißt du, was ich mir beim Lesen hier gedacht habe? Vielleicht könnte ich uns beide ins Spiel bringen: ein Junge, der einem Mädchen die Geschichten erzählt, die er erfunden hat. Und sie sind beide von den Geschichten so gefesselt, dass sie tatsächlich als Morwyn und Gaelin in diese Welt eintauchen. Und den gleichen Traum träumen.«
»Über uns?«
»Wir könnten die Welt nach uns benennen.« Er grinste. »Sie Kertin nennen.«
»Juserry«, sagte ich, das Spiel weiterspinnend.
»Oder unsere Nachnamen? Barnacaine? Cainard? Canardia, wie wär’s damit?«
Ich verkniff mir ein Lächeln. Es war so wundervoll, nicht nur die Verbindung der Namen, sondern die der Seelen, wie eine Hochzeit. Justin umarmte mich kurz, und ich dachte, dass das Schicksal uns gerade zum richtigen Zeitpunkt zusammengeführt hatte. Es war genau, wie LoraLee gesagt hatte: dass das Schicksal gewöhnlich als großartiger Zufall verkleidet zu einem kommt. »Wir müssen feiern«, sagte ich.
»Feiern?«
»Ich mach dir ein Abendessen. Drüben in meinem Haus, morgen Abend.«
»Du kannst kochen?«
»Ich bin eine erstaunlich gute Köchin - du wirst sehen.« Ich ballte die Hände zu Fäusten. »Ich hab ein paar Spezialrezepte, die ich unbedingt ausprobieren will.«
Justin lächelte mich an und strich mir über die Wange. Es war nur eine ganz flüchtige Berührung, aber sie ging mir durch und durch, und ich musste mir auf die Lippe beißen, um nicht aufzustöhnen. Vielleicht täuschte ich mich, aber ich meinte Justins Augen einen kurzen Moment lang in einem helleren Blau aufblitzen zu sehen. Es war fast so, als hätte auch er etwas gespürt.
6
Ich schützte Bauchschmerzen vor. Schließlich traf das mehr oder weniger auch zu. Mein Magen fühlte sich an wie eine Waschmaschine im Schleudergang, und ich hatte viel zu viel zu tun, um meinen Tag in der Schule zu vergeuden. Ein Teil meines Gehirns lachte mich aus, der andere riss sich zusammen und begann die Liste durchzugehen.
Ich kaufte ein Tiefkühlhähnchen und Erdbeeren. Erdbeersuppe, hatte in dem Buch gestanden, und das Huhn sollte mit Aprikosen gekocht werden. Nie in meinem Leben hatte ich eine Aprikose gekostet, und alles, was ich im Kühlschrank finden konnte, war ein Glas Marmelade mit Toastbröseln darin, aber sie war orange und fruchtig, also fast das Richtige.
Dazu Kopfsalat mit einem Dressing aus Mayonnaise, braunem Zucker, Essig und Mohn, den ich von Brötchen schabte. Mohn steigerte angeblich die Lust. Löwenzahnblätter sollten auch hinzugegeben werden. Aber wo zum Teufel sollte ich um diese Jahreszeit Löwenzahn herbekommen? Ich erinnerte mich, wie ich letzten Frühling LoraLees Löwenzahn gegossen und die verwelkten Stiele ausgerissen hatte. Wie lange brauchte Kompost, bis er sich zersetzte?
Auf dem Weg zu LoraLee klopfte ich auf jeden Baumstamm, an dem ich vorbeikam, weshalb ich für den Weg wesentlich länger brauchte, als angemessen gewesen wäre. Manchmal wünschte ich, die Zwei wäre meine Glückszahl.
Ich sprang über den Zaun in ihren hinteren Garten und kam mir wie ein Einbrecher vor. Aber ehrlich, niemand konnte das Entwenden verwelkten Löwenzahns als echten Diebstahl ansehen, und außerdem hatte ich keine Wahl. Es wäre mir lieber gewesen, wenn sich Justin auf natürliche Weise in mich verliebt hätte, aber das würde nicht so bald geschehen.
Ich wühlte durch die Mitte des Komposthaufens, wo die Reste am wenigsten zersetzt schienen und der Geruch von Grünzeug sich mit dem Geruch von Fäulnis mischte, wie Brokkoli, der zu lange im Kühlschrank liegen geblieben ist. Überall in LoraLees Garten war Löwenzahn gewachsen (da ihre Unkrautvernichtungsmaßnahmen aus scharfem Pfefferspray und viel Jäten bestanden), und ich fand ihn ganz leicht. Sicher, er war braun und mit Gott weiß was bezogen, aber immer noch ziemlich gut erkennbar. Ich stopfte ihn in meine Tasche und ging dann zu LoraLees Tür.
Sie trug ein orangefarbenes geblümtes Kleid mit einer hellblauen Schürze und war vermutlich die einzige Person im ganzen Umkreis, der diese Farben standen. »Kerry, was machst du denn hier? Hast du keine Schule?«
Ich machte eine wegwerfende Handbewegung. »Lehrerkonferenzen. LoraLee, darf ich dich was fragen? Nur aus Neugier.« Ich sah sie harmlos lächelnd an und sagte: »Ich wollte bloß mal wissen, ob du je von Liebstöckelwurzel gehört hast.«
»Liebstöckelwurzel?
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