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Auf ewig und einen Tag - Roman

Titel: Auf ewig und einen Tag - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Joy Arnold Angelika Felenda
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Schaukelstuhl lose Fäden herunterhingen. Und ich wusste, wenn Zaubersprüche Wirkung hätten, würde LoraLee nicht freiwillig so leben.
    Dennoch dachte ich den ganzen Nachmittag darüber nach. Ich erinnerte mich an die Tage, als ich mit Magen- oder Kopfschmerzen zu ihr gegangen war. Sie bestrich meine Stirn mit Pfefferminzwasser und gab mir Ingwertee. Sie drückte ihre Finger an meine Schläfen und erzählte mir Geschichten über Afrika und Atlantis, bis ich einschlief. LoraLee wusste, wie man die Kranken heilte, und vielleicht bedeutete das, dass sie noch mehr wusste. Vielleicht hieß das, sie wusste, wie ich Justin dazu bringen konnte, mich zu lieben, und wollte es mir bloß nicht sagen.
     
    Ich weinte die ganze Nacht hindurch, stille Tränen mit geschlossenem Mund. Mein Inneres fühlte sich an, als wollte es aufplatzen
wie die Schale einer zu lange gekochten Kartoffel. Eve lag im Bett neben mir, schien aber mein schweres Atmen nicht zu hören. Oder sie tat nur so, um mich nicht in Verlegenheit zu bringen. Gerade weil wir uns so nahestanden, wussten wir beide, dass es Zeiten gab, in denen zu große Nähe nicht angebracht war.
    Während ich im Dunkeln lag, stellte ich mir Leslie mit Schleier vor, stumm wie eine Auster, aber dennoch siegreich. Ich stellte mir vor, wie Justin ihre beringte Hand hielt und ihr flüsternd seine Geschichten erzählte. Ich stellte mir vor, wie er die Welt mit ihr teilte, in der ich mich verliebt hatte, alles, was einst heilig zwischen uns gewesen war, und ich weinte.
    Später am nächsten Morgen wachte ich nach unruhigem Schlaf durch das Geräusch von Schritten auf der Treppe auf. Es klopfte an die Schlafzimmertür, und ich hörte Justins Stimme. »Kerry?«
    Ich biss mir auf die Lippe und stolperte in den Gang hinaus. Er sah mir forschend in die Augen, dann spannte sich sein Unterkiefer an, und er hob eine Thermosflasche hoch. »Eve sagte, du seist krank. Mom hat mich mit Suppe rübergeschickt. Mein Gott, du siehst ja aus, als hättest du einen Fußballschuh ins Gesicht gekriegt.«
    Meine Augen brannten, ich rannte ins Badezimmer und warf die Tür hinter mir zu.
    Justin klopfte an die Tür. »Kerry? Alles in Ordnung?«
    Ich blickte in den Spiegel. Meine Nase war rot, die Augen geschwollen mit dunklen Rändern darunter. Ich sah aus wie eine Karikatur meiner selbst.
    »Kerry? Was ist los? Geht’s dir nicht gut?«
    Ich verbarg das Gesicht in den Händen. »Ich sehe furchtbar aus!« Hinter meinen Händen sah ich Leslie, ihre blitzenden
blauen Augen, die vermutlich nie geweint hatten, ihre perfekten glänzend rosa lackierten Fingernägel. Kein Wunder, dass er sie liebte.
    »Du weinst wegen deines Aussehens?«, fragte er verständnislos. »Also gut, entweder reagierst du hysterisch auf meine Bemerkung, oder du bist übermäßig eitel.«
    »Ich weine nicht.«
    Er antwortete nicht, vermutlich dachte er über meine blöde Antwort nach.
    Ich wischte mir die Augen ab, zog das Haar übers Gesicht und öffnete dann die Tür.
    Justin warf einen Blick auf mich, und dann veränderte sich sein Gesichtsausdruck. Er nahm mich in die Arme, ich schnappte nach Luft, und die Tränen gefroren in meinen Augen. Er strich mir übers Haar, und seine Berührung ließ meinen ganzen Körper erschauern. Ich konnte mich nicht bewegen, nicht atmen, mein Herz klopfte so langsam, als müsste es Sirup pumpen.
    »Ach, Kerry«, flüsterte er, »ist ja schon gut. Ich weiß, es ist schwer, aber du musst versuchen, es herauszulassen.«
    Er flüsterte in mein Haar. Ich klammerte mich an sein weiches Baumwollhemd, dann streckte ich langsam die Zunge heraus und leckte über die Naht an seiner Brusttasche.
    »Ich hab euch nie weinen sehen, weder dich noch Eve. Das ist nicht gesund, Kerry, es wird nicht besser, wenn du es nicht tust.« Er löste sich von mir und sah mir ins Gesicht. »Aber da ist noch was anderes, nicht? Irgendwas ist passiert.«
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Ich kenne dich ganz gut - irgendwas geht vor. Das kann ich an deinen Augen ablesen, du siehst aus, als wärst du in der Mitte auseinandergerissen worden.«

    »Nein. Nei-ein«, sagte ich, aber das Komische an der Sache war, genau daran hatte ich die ganze Nacht zuvor gedacht, an eine seiner Geschichten, in der ein Mädchen buchstäblich entzweigerissen wurde, als es von dem Jungen, den es liebte, verlassen wurde. Justin hatte nichts von dem Blut geschrieben, das dabei geflossen sein musste, aber ich hatte mir vorgestellt, wie diese Todesart aussehen würde:

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