Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Auf ewig und einen Tag - Roman

Titel: Auf ewig und einen Tag - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Joy Arnold Angelika Felenda
Vom Netzwerk:
zu keinem Schluss gekommen.«
    Er hielt das Lenkrad so fest umklammert, dass die Knöchel weiß hervortraten. Ich hatte das Gefühl, ihn drängen zu müssen, konnte aber nur dasitzen, zuhören und warten.
    »Es hat sich angefühlt, als wär’s das Richtige«, sagte er leise. »Ich meine, richtiger als je zuvor, wie etwas, auf das ich gewartet habe. Aber die Sache ist die, ich kenne dich zu gut.« Er schüttelte energisch den Kopf, lehnte sich dann zurück und starrte auf den Wagenhimmel. »Aber das stimmt so nicht. Ach verdammt, ich weiß einfach gar nicht, was genau ich sagen will.«
    Ohne darüber nachzudenken, was ich tat, rutschte ich zu ihm hinüber, legte die Hände auf seine Wangen und zog ihn an meine Lippen. Justin erstarrte, holte tief Luft, spannte sich dann wie ein Gummiband straff an, lockerte sich ganz plötzlich wieder, schlang die Arme um mich und griff an meinen Hals, in mein Haar. Seine Lippen drückten gegen meine Zähne, er atmete schwer. Er gab einen erstickten, würgenden Laut von sich, dann wandte er abrupt das Gesicht ab. »Ich kann nicht!«
    Ich versuchte, Atem zu holen. »Justin, bitte, du … Warum kannst du nicht?«
    »Das kann ich dir nicht sagen, es ist zu kompliziert. Weil du sechzehn bist, weil … Ich weiß nicht.«
    »Weil ich deine kleine Schwester bin«, flüsterte ich.
    Justin wandte sich ab und sah aus dem beschlagenen Fenster. Ich glitt auf meinen Sitz zurück und drückte mich an die Tür.
»An diesem Abend …« Er presste die Faust ans Fenster und hinterließ einen Abdruck seiner Knöchel. »An diesem Abend, als ich dich küsste, ist irgendetwas passiert. Es war, als hätte sich in meinem Kopf alles zu drehen begonnen, und ich könnte nicht mehr richtig sehen, nicht richtig gehen und nicht richtig denken, und ich weiß nicht, was das bedeutet.« Er schüttelte den Kopf. »Weil es sich anfühlen sollte, als wärst du meine kleine Schwester, was aber nicht der Fall ist.«
    Drauf begann ich zu zittern, vielleicht vor Kälte, vor Angst oder Begehren, oder aus allen drei Gründen zusammen. Schauer liefen mir den Rücken hinab, aber irgendwie schaffte ich es, seine Hand zu nehmen. So saßen wir, ich weiß nicht, wie lange, da - Minuten, Stunden, Tage, Jahre -, und der Schnee fiel auf den Wagen und hüllte uns ein, sodass wir nur das Weiß und unsere vereinten Hände sehen konnten.

10
    Tagelang war ich verwirrt, wusste nicht, wo ich war, kümmerte mich um nichts. Selbst als ich es schließlich schaffte, mir anzusehen, wo ich gelandet war, hatte ich noch immer das Gefühl, ich hätte keine Füße und bestünde nur aus einem Paar Augen, die auf die Welt starrten und sich klar zu werden versuchten, warum sie so geworden waren und was sie mit sich anfangen sollten. Es war zu viel.
    Es ist komisch, wenn ein einstiger Traum plötzlich wahr wird. Man sollte glauben, es fühlte sich an wie Heimkommen, aber stattdessen ist es alarmierend, als machte man einen Spaziergang und stellte plötzlich fest, dass man in der Smaragdstadt oder auf der Sonnybrook-Farm gelandet war. Man weiß nicht mehr, ob man seinen Augen trauen kann.
    Tagsüber hielten wir Abstand zueinander, selbst wenn wir miteinander allein waren, als würde ein heimlicher Blick uns brandmarken und uns verraten. Nachmittags, wenn ich im Geschäft der Caines am vorderen Schreibtisch saß, versuchte ich (meist vergeblich) Stunden und Ersatzteile zusammenzurechnen und (immer vergeblich) die Tatsache zu ignorieren, dass Justin hinter mir in der Werkstatt war - ein Gefühl, als würde eine Woge aus heißem Wasser gegen meinen Rücken branden.
    Aber dann, nach dem Abendessen, folgte ich ihm in den Geräteschuppen, wo wir uns hungrig verschlangen, als wären wir wochenlang statt lediglich ein paar Stunden getrennt gewesen.
Und dann, wenn ich kaum mehr atmen konnte und alles getan hätte, was er von mir verlangte, zog er sich mit leichten, schmetterlingshaften Küssen zurück. Dann lagen wir nebeneinander und hielten uns mit geschlossenen Augen an den Händen, bis ich wieder zu Atem kam.
    »Ich glaube, meine Eltern werden langsam misstrauisch«, sagte er eines Abends mit noch immer geröteten Wangen. »Sie versuchen, es aus mir herauszulocken. ›Du siehst glücklich aus in letzter Zeit‹, sagt mein Dad ständig. Er ist so ziemlich der unsensibelste Mensch, der mir je begegnet ist.«
    »Bist du glücklich?«, fragte ich.
    Er grinste und hob unsere ineinander verschränkten Hände, um meine Finger zu küssen. »Natürlich bin ich

Weitere Kostenlose Bücher