Auf ewig und einen Tag - Roman
und Gillians Zimmer. Diese Veränderung war verwirrend, und hier zu schlafen bedrückte mich. Denn selbst als die Beziehung zwischen mir und Eve wirklich schlecht geworden war, teilten wir uns trotzdem ein Schlafzimmer, weil wir das immer getan hatten und weil es uns absolut pietätlos erschienen wäre, Daddys Sachen auszuräumen.
Also hasste ich es, mich hier aufzuhalten, aber außer meinem Bett schien es keinen Ort zum Sitzen zu geben, keinen Gemeinschaftsraum, da dort inzwischen Eves kaltes Metallbett und ihr Rollstuhl standen. Also verbrachte ich die Tage entweder in der Küche oder auf diesem Bett und wartete, dass Eve heimkam oder aufwachte, mich rief und mit mir redete, um mir zu bestätigen, dass ich nicht nur ein Produkt meiner eigenen Fantasie war.
Die Haustür öffnete sich, und ich ging auf den Treppenabsatz hinaus. Gillian kam aus ihrem Zimmer und stürmte an mir vorbei die Treppe hinunter, als wäre ich gar nicht anwesend. So war es während der ganzen vergangenen zwei Wochen gewesen, Gillian tat, als existierte ich nicht. Sie kam von der Schule nach Hause, und ich begrüßte sie. Wenn ich Glück hatte, reagierte sie mit einem Brummen darauf, aber meistens machte sie sich nicht einmal so viel Mühe. Eigentlich sollte ich auf Gillian aufpassen, während Eve und Justin außer Haus waren, aber tatsächlich saß ich nur herum.
»Mist«, sagte Eve. Sie lehnte sich auf Justin und hinkte deutlich. »Ich weiß ohnehin nicht, warum du mich dazu zwingst. Wenn sie sagen, Bewegung verlängere das Leben um zehn Jahre, reden sie sicher nicht von Leuten mit Krebs im Endstadium.«
Gillian sprang die letzten zwei Stufen hinunter. »Hallo, ich bin zu Hause.«
»Das sehe ich«, antwortete Justin und führte Eve in den Hobbyraum. »Wie war die Schule?«
»Nicht schlecht. Ich hab was für dich, Ma.« Sie hielt ihr ein blaues Blatt Papier entgegen.
»Nicht jetzt, Süße, bitte. Ich hab furchtbare Schmerzen.«
Gillian zog den Arm zurück. »Bist du okay?«
»Sie hat sich nur den Knöchel verstaucht«, sagte Justin. »Morgen ist es wahrscheinlich schon wieder gut.«
»Brauchst du Eis? Ich hol welches, ja?« Sie lief in die Küche.
Ich schickte mich an, nach unten zu gehen. »Kann ich irgendwie helfen?«
»Zumindest verdiene ich jetzt eine Extraportion Morphium, findest du nicht? Damit ich den Schmerz verschlafe, den du mir zugefügt hast.«
Justin sah sie eindringlich an, dann nickte er zögernd. »Du machst mir was vor, nicht? Das ist doch nur ein Trick.«
»Wenn es dir hilft, dich besser zu fühlen.« Eve legte sich aufs Bett, zog sich die Schuhe aus und drückte den Kopf in die Kissen.
Justin beobachtete sie eine Weile, dann nickte er mir zu. »Sie simuliert. Ich bin oben, wenn du mich brauchst.«
Gillian ging mit einer Eispackung in der einen und dem blauen Blatt Papier in der anderen Hand an mir vorbei. »Welcher Knöchel ist es, Mom?«
Eve antwortete nicht; entweder war sie wirklich eingeschlafen, oder sie tat nur so. Es erstaunte mich, wie schnell sie jetzt in Schlaf fallen konnte. Obwohl ich vermutete, dass alles nur vorgetäuscht war, um sich aus der Welt zu verabschieden, wenn sie keine Lust hatte, sich damit auseinanderzusetzen.
Gillian untersuchte Eves Füße, dann legte sie die Eispackung so darauf, dass beide bedeckt waren. »Ich hab zwei Beutel genommen, damit nichts ausläuft.« Sie stand mit hochgezogenen Schultern und ausdruckslosem Gesicht da. Krampfhaft umklammerte sie das blaue Blatt Papier, knüllte es zusammen und stopfte es in die Tasche. »Okay, dann geh ich rauf.« Sie tätschelte die Decke über Eves Beinen, blieb noch einen Moment stehen und wandte sich dann ab.
»Deine Mom ist bloß müde, das ist alles«, sagte ich, als sie an mir vorbeiging. Gillian zuckte die Achseln und entfernte sich in Richtung Küche. Ich beobachtete, wie sie das Blatt aus der Tasche zog, es in den Abfalleimer warf und dann die Treppe hinaufstieg.
Eve setzte sich auf, zog die Eispackung zwischen den Knöcheln hervor und hielt sie in der Hand. Schließlich legte sie sie auf den Nachttisch und sank wieder aufs Bett zurück.
Mich packte die Wut. »Ist dir eigentlich klar, wie verletzt sie eben ausgesehen hat?«
Eve drehte sich zu mir herum, und in ihren Augen lag solche Angst, dass es mir durch und durch ging. »Ach, leck mich doch, Kerry. Versetz dich mal in meine Lage. Und dann überleg dir, ob du’s besser hinkriegen würdest.«
Du hast alles, hätte ich ihr am liebsten geantwortet. Du Idiotin.
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