Auf ewig und einen Tag - Roman
vielleicht mit mir dazwischen, um euch ein bisschen von dem zu geben, was alle Mädchen wollen.‹«
»O Gott …«
»Was alle Mädchen wollen, pah! Darum ging’s, Kerry, von Anfang an. Nicht um mich. Wenn du Interesse gezeigt hättest, wär’s ihm genauso recht gewesen, dann hätte er dich anschauen, dich berühren, mit dir schlafen und sich vorstellen können, ich wäre auch dabei.«
Ich starrte sie an. »Mit mir schlafen können?«
Sie sah mich an, nickte dann zögernd und lächelte matt. »Ich schätze, ›schlafen‹ ist der falsche Ausdruck. Ficken trifft’s wohl eher.«
Mir stockte der Atem. »O Gott, nein.«
Sie kniff die Augen zu, Tränen glänzten auf ihren Wangen. »Ich wusste die ganze Zeit, dass irgendwas faul war an der Sache, wirklich. Die Worte, die er benutzt hat: ›Ja, leck mich, Baby, du bist so geil auf mich, ich kann’s nicht mehr halten, du musst mir einen blasen.‹ Aber ich dachte, ich dachte …« Sie zog ihren Schuh mit dem spitzen Absatz aus und warf ihn gegen die Wand, wo er eine Delle hinterließ. »Gott, wie blöd ich war!«
Ich wünschte, mir würden die richtigen Worte einfallen, aber ich zitterte immer noch am ganzen Körper, und alles, was mir in den Sinn kam, war der Sexualkundeunterricht in der achten Klasse und Daddys zögernde Erklärungen. Eines Tages wirst du einen ganz besonderen Mann kennenlernen … »Habt ihr aufgepasst?«
Eve schnaubte. »Aufgepasst? Dazu hatte Brad keine Lust. Stell dir vor, ich wäre schwanger. Dann würde er sagen: ›Eve, Baby, es tut mir wirklich leid, aber Schwangerschaft macht mich nicht an. Aber hey, ist deine Schwester frei?‹«
Ich starrte aufs Bett hinab. Sie war keine Jungfrau mehr. Sie war keine Jungfrau mehr. Sie hatte einen Mann verführt. Sie wusste, wie es sich anfühlte, ihn in sich zu haben. Sie war eine Frau geworden und hatte mich zurückgelassen. Und sie hatte mir nicht einmal gesagt, wann es passiert war. Hilflos streichelte ich ihr Bein. »Es wird schon wieder«, sagte ich. Sie hat Sperma gesehen, dachte ich.
»Ja, wenn ich seinen Schwanz abgebissen hab.« Sie schwieg einen Moment, dann griff sie meine Hand und blickte mit verquollenen Augen zu mir auf. »Kann ich mich zu dir legen? Nur ein bisschen?«
»Sicher«, antwortete ich.
Sie legte den Kopf auf mein Kissen, und ich deckte uns beide zu. Sie hatte Brad verlassen, das war alles, was ich wollte. Und ich versuchte, mir einzureden, das bedeutete, ich könnte sie wieder auf meine Seite ziehen, wir könnten hier in meinem Bett liegen, wie damals, als wir klein waren, ich könnte zusehen, wie sie einschlief, dann meine Augen schließen und versuchen, in ihre Träume einzutauchen. Ich musste das Gefühl haben, dass alles wieder wie früher sein konnte. Doch als ich die Augen schloss, sah ich nur Eves nackten Körper und wie sie die Beine um Officer Carrera in seiner graublauen Uniform geschlungen hatte.
Am nächsten Tag gingen Eve und ich gemeinsam von der Schule nach Hause, was wir schon wochenlang nicht mehr getan hatten. Die Luft war kalt, trug aber einen Hauch von Zitronenduft
in sich, als wollte sie verkünden, dass der Frühling immer noch vorhatte zu kommen. Wie es schien, hatte Eve die letzte Nacht bereits vergessen. Ihr Gang war fest, und sie beugte sich hinunter, um eine von Miss Coras Katzen am Kopf zu streicheln. Die Katze sah zu ihr auf und strich mit dem Schwanz um Eves Fessel herum, als spürte sie eine Art verbindender Sinnlichkeit.
»Ich hab mir überlegt«, sagte ich, »hättest du Lust, heute Abend was zu unternehmen? Nur wir beide?« Ich stellte mir vor, wie wir im Schlafanzug mit Taschenlampen auf meinem Bett saßen, über Make-up, Filmstars und wer auf wen stand redeten und unsere Unterhaltung ganz locker und entspannt wäre.
»Hört sich toll an«, antwortete Eve. »Ich würde gern, aber ich hab was vor.«
»Was vor?« Ich blieb stehen und hatte das Gefühl, ich hätte eine Ohrfeige bekommen. Sie sollte nichts vorhaben.
»Hey, willst du mitkommen? Ich geh was trinken. Du könntest die Jungs kennenlernen.«
»Die Jungs?« Ich runzelte die Stirn. Es sollte keine Jungs mehr geben. »Kann ich Justin mitbringen?«
Eve schenkte mir ein schiefes Lächeln. »Weißt du, wie sie Justin nennen? Möchtegern-Aufsteiger. Sie sagen, er kratzt sich jeden Abend den Dreck unter den Nägeln weg, um so zu tun, als wär’ er was Besseres.«
Wut packte mich. Ich konnte sie nicht ansehen, also ging ich an ihr vorbei und marschierte die Straße hinunter.
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