Auf ewig und einen Tag - Roman
antut.«
Ich schüttelte den Kopf. Ich lauschte dem Pochen seines Herzens, dem Nachklang seiner Worte, und versuchte, es zu glauben. Ich musste ihm glauben. Er war jetzt das Einzige, was ich noch hatte auf der Welt.
22
Es war unser siebzehnter Geburtstag. Ich war in LoraLees Garten und half ihr beim Unkrautjäten und Beschneiden der Rosen, eine Arbeit, die mir immer ein bisschen schäbig vorkam. Ich wartete, dass Justin nach Hause kam. Der Tag war nichts Besonderes gewesen. Eve und ich waren aufgewacht, hatten uns angezogen und auf die Tüten mit Weizenflocken gestarrt, während wir aßen. Ich versuchte, nicht bei jedem Gegenstand, an dem ich vorbeikam, vier Mal zu klopfen, allerdings erfolglos. Wir gingen in die Schule und saßen auf verschiedenen Seiten unseres kleinen Klassenzimmers, sie in der letzten Reihe rechts, ich vorn, wo ich so tat, als spürte ich ihre Blicke auf meinem Rücken nicht.
Ich hatte ihr ein Geschenk gekauft, einen goldenen Anhänger in Form zweier winziger Kirschen. In einer wattierten Schachtel steckte er jetzt in meiner Tasche, bereit, mit einem vergebenden Lächeln herausgezogen zu werden. »Auch wenn ich immer noch sauer auf dich bin«, würde ich sagen.
Aber wir gratulierten uns nicht zum Geburtstag. Den ganzen Tag hielt ich die Worte zurück, die mir auf der Zunge lagen, und wartete auf einen Blick, den Anflug eines Lächelns. Alles, was ich brauchte, war ein kleiner Hinweis, dass es ihr genauso ging. Aber sie lieferte mir keinen, also tat ich so, als wäre es mir egal. Es war mir auch egal.
LoraLee beobachtete mich, während ich so heftig die Stängel von Wurzeln abriss, dass Erde aufsprühte. Ich war mir sicher, sie
wusste, dass etwas nicht stimmte, aber ich konnte ihr nichts von Eve erzählen. Denn wenn ich das getan hätte, wäre ihr irgendeine Geschichte oder Metapher als Antwort eingefallen, obwohl es keine Antwort gab. Nicht darauf. Stattdessen redete ich um den heißen Brei herum, erklärte ihr, Eve habe bereits eine Woche nach der Trennung von Brad einen neuen Freund gefunden. »Sie braucht bloß mit dem Finger zu schnippen, und schon sind sie hinter ihr her«, sagte ich.
LoraLee lachte und schüttelte den Kopf. »Deine Schwester ist wie eine Taglilie, blüht mit einem Schlag prächtig auf und strahlt aus Leibeskräften, und man kann nicht anders, als ihr zuzuschauen.«
»Sie liebt ihn nicht, das weiß ich.«
LoraLee tätschelte meine Hand. »Am Schluss muss sie ihre eigene Entscheidung treffen und ihren eigenen Weg finden. Ganz tief in ihrem Innern weiß nur sie, was das Beste für sie ist.«
»Aber wenn sie etwas ganz Falsches tut?«
»Meinst du, du könntest ihr beibringen, was richtig und was falsch ist? Wenn’s nicht richtig ist, findet sie’s selber raus. Es ist schwer, so eine Schau abzuziehen, wenn man selbst nicht daran glaubt. Die Blüten der Taglilie strahlen auch nur einen einzigen Tag lang.«
»Und dann verwelken sie.«
Sie seufzte, wischte sich die Erde von den Händen und kauerte sich nieder, um mich zu beobachten. »Und was, wenn du begreifst, dass es nicht an dir ist, sie zurückzuhalten? Es ist wie bei einem Busch, den man zurückschneidet, damit er einem nicht die Sicht verstellt. Du kannst ihn zurückschneiden, aber was den Duft seiner Blüten oder die Form seiner Blätter anbelangt, kannst du gar nichts machen. Und am Ende wächst der
Busch trotzdem weiter. Also kämpfst du entweder gegen die Natur, oder du arbeitest einfach mit ihr.«
»Du willst mir also sagen, dass ich gar nichts tun kann.«
»Nein, ganz und gar nicht. Ich sag, du musst aufpassen, genau hinhören, wie der Busch wachsen will. Arbeite mit ihm, vielleicht wird er dann größer und fülliger. Wachsen wird er sowieso, aber wenn du Glück hast, verstellt er dir die Sicht nicht.« Sie neigte den Kopf zur Seite. »Weißt du, sie braucht eher dein Verständnis, als dass du ihr sagst, was richtig ist.«
Die Kehle schnürte sich mir zusammen, und ich wandte mich den Töpfen mit den einjährigen Blumen zu, die bald hier blühen würden. Doch am liebsten hätte ich dagegengetreten, die Töpfe zerschmettert und die Knospen zertrampelt. Eve dachte, ich sei schwach, dachte, ich würde alles hinnehmen, was sie tat, nur um des lieben Friedens willen. Aber ich würde ihr zeigen, dass sich die Zeiten geändert hatten. Ich hatte mich geändert. Ich brauchte sie nicht mehr.
Als ich nach Hause kam, wartete Justin mit einer kleinen in Geschenkpapier eingewickelten Schachtel in der Hand auf
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