Auf Forsters Canapé: Liebe in Zeiten der Revolution (German Edition)
kurzabgeschnittenes Haar machte einen antiken Kopf auf der schönsten Büste. Ihre Heiterkeit blieb bis auf den letzten Augenblick auf dem Blutgerüste, wo ich sie hinrichten sah. Ihr Tod war mir wohl für sie. Du hast schnell ausgelitten, dacht ich. Der Maler David (ein heftiger Jakobiner und Mitglied des Nationalkonvents) ging hin, sie im Gefängnis zu malen. ›Man wird künftig gern mein Bild sehen wollen.‹ Er erstaunte über die Heiterkeit ihres Gesichts und meinte, es sei Anspannung des Augenblicks, um sich vorteilhaft zu zeigen. Werden Sie aber immer diese Miene behalten? fragte er. ›Sorgen Sie nicht, antwortete sie mit Lächeln und sanfter Stimme, ich bin nie anders als Sie mich jetzt sehen.‹ Die Tat war ganz ihr eigener Anschlag, mit keiner Seele ging sie darüber zu Rat. Sie führte das Messer sicher, ohne eine Vorübung gemacht zu haben. Sie liebte die Republik, und die Freiheit mit Enthusiasmus und fühlte tief ihre innere Zerrüttung.«
Adam Lux, Forsters Kollege vom Mainzer Konvent, begegnet in dieser Frau seinem Schicksal, dem er seit seiner Ankunft in Paris entgegengeeilt war. Entsetzt über die Politik der Bergpartei, hatte er sich mit Leidenschaft den Girondisten angeschlossen. Als sie Anfang Juni gestürzt wurden, wollte er ihrem Untergang nicht tatenlos zusehen. Zunächst hatte er vor, »ihren Tugenden öffentlich an den Schranken des Konvents zu huldigen und sich im Angesicht des Volkes den Dolch in seine Brust zu stoßen«, was ihm seine Freunde mit Mühe ausreden konnten. Aber »ihre Vorstellungen scheinen ihn veranlaßt zu haben, die Sorge für seinen Tod den Schreckenmännern zu überlassen«.
Der kleine feurige Schwabe Georg Kerner, ein schillerscher Jüngling wie aus dem Bilderbuch, hat die Geschichte seines Liebestodes erzählt.
Lux war gerade in Paris unterwegs, »als eine ungewöhnliche Bewegung auf den Straßen seine Aufmerksamkeit erregte«. Er erfuhr, daß man die Mörderin Marats soeben auf den Richtplatz führte, und folgte ihr dorthin.
»Charlotte Corday erschien, ihr Auge war mit einem Gemisch von Größe und Mitleiden auf die Volksmenge geheftet – Lux las in ihren Zügen, was nur wenigen zu lesen von dem Schicksal vorbehalten war – sein Blick begegnete dem ihrigen – mehr bedurfte es nicht, um in dem Innersten ihrer Seele zu lesen und jene Harmonie entdecken zu können, die große Herzen in einem Moment auf Ewigkeiten verschwistert. – Man hatte ihm von einer aristokratischen Fanatikerin gesprochen, und er fand eine Republikanerin, die, nachdem sie dem Rache fodernden Vaterland den hohen Tribut gebracht hatte, die Gesetze zu versöhnen, mit jenem Blick dem Tod entgegenging, der ihrem Wesen noch drei Schritte vor dem Schafott jene verklärte Gestalt zu geben schien, die ihr erst jenseits desselben zuteil werden sollte: Man hatte ihm von einer alten Betschwester gesprochen, und er fand ein Mädchen in der vollkommensten Jugendblüte, ein Mädchen, dem die nahe Gegenwart des Todes keine der Rosen rauben konnte, die ihre Wangen schmückten – dem die jungfräuliche Sittsamkeit, gepaart mit Heldenmut und Schönheit, jenen unaussprechlichen Reiz gab, dem selbst der stupideste Fanatism durch ein plötzliches Unterbrechen seines wilden Gebrülls und das Verbrechen durch eine dem schwachen Überrest von Menschlichkeit entschlüpfte Träne huldigen mußte. – Genug, er fand das Ideal einer republikanischen Seele.
Sein gut organisiertes, ungeschwächtes Aug erblickte die kleinste ihrer Bewegungen, die Art, womit sie sich dem Schafott näherte und das Totengerüst bestieg, die sanfte Schamröte, die selbst das drohende Beil nicht zurückschrecken konnte, als die Blutknechte ihr den jungfräulichen Busen entblößten – nichts entging seinem spähenden Blick: Das Eisen fiel – sprachlos und wie vom Donner gerührt stand er neben dem Trauergerüste und riß sich endlich nur mit Mühe von dem schrecklichen Schauspiel los. – Noch ein Blick auf den enthaupteten Leichnam – und in eben dem Augenblick schlägt eine wilde Bestie das blutende Haupt ins Gesicht. Die blutgierige Menge entrüstet sich selbst mitten in ihrer Blutgierde über die abscheuliche Freveltat – Lux teilt diese Entrüstung – sie erleichtert seine von tausend Empfindungen bestürmte Seele und gibt ihm Stärke genug, seine Wohnung zu erreichen, wo er sich gänzlich dem Übermaß seines Schmerzes preisgab – und die empörende und seelenerschütternde Szene, deren er beigewohnt hatte,
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