Auf Forsters Canapé: Liebe in Zeiten der Revolution (German Edition)
dem allen das Bewußtsein in mir trage, nach der jedesmaligen Einsicht, die ich hatte, nicht aus Leidenschaft gehandelt zu haben – dann bin ich zufrieden mit allem was geschehen ist.«
* * *
Seine Zufriedenheit wird auf eine harte Probe gestellt. Mit leidenschaftlicher, ängstlicher Anteilnahme hat er das Schicksal des belagerten Mainz verfolgt, obwohl die Masse seiner Bürger »der unsäglichen Mühe, die man sich um seine Befreiung gegeben« habe, nicht wert sei und »so leicht und gern in ihr altes Joch« zurückkehren werde, »als hätte es nie etwas anderes gekannt und geahndet«. Für seinen Hausarzt und Mitstreiter Wedekind, der sich gerade noch rechtzeitig aus der Stadt retten kann, hat er nur Hohn und Spott übrig. Der Hase sei auf die erste Annäherung der Feinde entsprungen! Die Verhaftung der »armen Weiber«, die nun auf der Festung Königstein gefangen sind, findet er freilich hart, auch wenn sie doch eigentlich die Schuld der unvorsichtigen Böhmer sei. Gut, daß er und Therese wenigstens davon verschont geblieben sind. Daß einige Klubisten auf der Flucht den Preußen in die Hände gefallen und schwer mißhandelt worden sind, dauert ihn sehr! »Aber warum blieben sie nicht in der sichern Festung, wo man ihnen im ärgsten Fall bei der Kapitulation den Abzug sichern mußte.« Als die Franzosen die Mainzer Bürger, die den Eid verweigeren, aus der Stadt ausweisen (nach vorsichtigen Schätzungen mindestens zweitausend Personen), kommentiert er knapp: »Alle entbehrliche Mäuler sind weggeschafft.«
Am 19. Juni begannen die Preußen damit, die Stadt unter Artilleriefeuer zu nehmen. »Ich kann ohne Tränen kaum an Mainz denken – aber auch nicht an Wilna «, schreibt Forster am 23. Juni an Therese, und zwei Wochen später, während das Bombardement immer noch anhält: »Das Schicksal von Mainz bringt mir lauter schauerlich ernste Bilder zu Gemüte. Die arme Stadt muß bald ein Schutt- und Aschenhaufen, ein schrecklicher Jammerplatz sein, und die unglücklichen, zu Grunde gerichteten Einwohner! O Therese, Deiner Einbildungskraft brauche ich nicht brennende Türme und Straßen zu malen, um Dir zu vergegenwärtigen, wie es dort jetzt aussieht, und an Hülfe ist schwerlich mehr zu denken, bei der Verwirrung, die in unsern Köpfen herrscht und dem Mangel einer festen vollziehenden Regierung. Wie hat das Schicksal für uns gesorgt, daß es uns herausriß, – und tausende müssen jetzt schmachten! Was ist der Verlust aller unserer Habe gegen das unbeschreibliche Elend? Gütiger Himmel! Wie stürzen so viele Hoffnungen auf einmal zusammen? Und wie wenig gilt im Kriege das Glück der friedlichen Einwohner! Das Interesse der Franken, die Stadt zu behaupten, und das der Belagerer, sie einzunehmen, ist so groß, daß das Wohl der armen Menschen, die drin sind, wie ein Punkt verschwindet. – Ich bilde mir schon ein, da ich seit mehrern Tagen keinen Brief von Dir habe, daß Du aus den Zeitungen eben diese Nachrichten vom Bombardement von Mainz liesest, und daß Dich die zu sehr angreifen, als daß Du schreiben könntest. Vielleicht drückt Dich auch die Hitze. Hier ist sie seit etlichen Tagen sehr groß und steigt noch mit jedem Tage. Aber wie muß sie dort mitten im Feuer, ohne einen grünen Baum, ohne Gemüs, ohne Obst, ohne Milch nicht sein!«
Die Stadt müsse jetzt »einem Schutthaufen ähnlich sehen«,schrieb er wieder ein paar Tage später. »Die Liebfrauenkirche, der eine Domturm, die Schustergasse, Judengasse, Bleichen, der Tiermarkt angebrannt! Unsere Reihe Häuser? steht sie, oder brennt sie? ich weiß es nicht. Und die armen Einwohner!« Forsters unglücklicher Zorn richtete sich auf den Fürstbischof. »Der schändliche alte Bock, der sein Land, seine Stadt, seine unglücklichen Untertanen dem leidigen Ehrgeiz, sich in die französischen Angelegenheiten zu mischen, aufopfern konnte, was hat er nun davon? Wäre er neutral geblieben, nie wär ein Franzos nach Mainz gekommen. Die Furien müssen ihn doch geißeln! Oder schläft so eine Bestie ruhig, verdaut, und spielt mit seinen Weibern?« Fiel diese Invektive so maßlos aus, weil er selbst von Schuldgefühlen gequält wurde, seine Mitverantwortung an der Katastrophe aber auf keinen Fall zugeben wollte? Schließlich hatte er den Mainzern hoch und heilig versprochen, daß es niemals dazu kommen würde.
Als Therese, von ihrer Umgebung bedrängt, Forster zu einer öffentlichen Stellungnahme auffordert, »damit man doch die ganze Stadt nicht für
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