Auf Forsters Canapé: Liebe in Zeiten der Revolution (German Edition)
und sie mit seiner Freiheits-Religion infizierte.
4. November 1789. Wie gewöhnlich ist die Society for Commemorating the Revolution in England zusammengekommen, um den Jahrestag, es ist der 101., der Glorious Revolution zu begehen, die einen König (James) durch einen anderen (William) ersetzte und seine Macht zugunsten des Parlaments schwächte. Bei dem großen Jubiläum im Jahr zuvor hatte Andrew Kippis, der Mentor von Helen Maria Williams, die Festrede gehalten, nun also steht Price auf der Kanzel, um eine Rede on the Love of our Country zu halten. Die Ereignisse in Frankreich haben dieser unter normalen Umständen wenig beachteten Veranstaltung Aktualität und Brisanz verliehen. Man weiß, wo Price steht. Was wird er sagen? Wie weit wird er gehen?
Er ist sechsundsechzig Jahre alt, ein hinfälliger, von Krankheit gezeichneter Mann, aber ebendas erlaubte ihm nun, in der Rolle des Moses aufzutreten, der das Gelobte Land vor sich liegen sieht. (Man kann sich an die Predigt erinnert fühlen, die Martin Luther King einen Tag vor seiner Ermordung hielt – And I have seen the Promised Land. ) Seine fulminante Rede, in der er Christen – aus Liebe zu ihrem Land! – darauf verpflichtet, an der Schaffung eines Gemeinwesens mitzuwirken, in dem Wahrheit, Tugend und Freiheit herrschen, schwingt sich am Ende in visionäre Höhen auf.
»Laßt euch ermutigen, Freunde der Freiheit und ihr, die ihr sie in euren Schriften verteidigt habt! Die Zeit ist günstig. Eure Bemühungen sind nicht vergeblich gewesen. Sehet, wie Königreiche, die ihr ermahnt habt, aus dem Schlaf erwachen, ihre Fesseln zerbrechen und Gerechtigkeit von ihren Unterdrückern fordern! Sehet nur, wie das Licht, das ihr durch die Befreiung Amerikas entzündet habt, nach Frankreich reflektiert und dortzu einer lodernen Flamme angefacht wurde, die den Despotismus in Asche legte, und Europa wärmt und illuminiert!
Zittert, ihr Tyrannen in aller Welt! Seid gewarnt, ihr Unterstützer sklavischer Regierungen und Hierarchien! Ihr könnt die Welt nicht länger in Dunkelheit halten. Kämpft nicht länger gegen Licht und Freiheit! Gebt der Menschheit ihre Rechte zurück und laßt zu, daß Mißbräuche abgestellt werden, bevor sie und ihr gemeinsam vernichtet werdet!«
Empört über diese Schwärmereien und den kaum verdeckten Aufruf zur Revolution kündigte Edmund Burke Widerspruch an, aber es dauerte dann noch ein Jahr bis zum Erscheinen seiner Reflections on the Revolution in France , die wiederum eine Flut von Gegendarstellungen auslösten.
Auch Mary warf ihm den Fehdehandschuh hin. Ihre Vindication of the Rights of Men ist als Letter an den Right Honourable Edmund Burke adressiert. Für eine Frau war dieser öffentliche Angriff auf einen prominenten Parlamentarier ein unerhört mutiger Schritt, der Mary nicht leichtgefallen war. »Da ich die Rechte der Menschheit verehre, werde ich es wagen, für sie einzutreten. Das höhnische Lachen (horse laugh) , das Sie angeschlagen haben, hat mich nicht eingeschüchtert«, spricht sie sich in der Einleitung Mut zu. Ob sie ihre Attacke gewagt hätte, wäre es nicht darum gegangen, ihrem verehrten Lehrer einen Liebesdienst zu erweisen?
Dabei hat sie ihre Parteilichkeit nicht blind gemacht. Price habe sich in seinem Eifer wohl tatsächlich weiter treiben lassen, als durch die Vernunft zu rechtfertigen sei, räumt sie ein. Aber hätte es nicht die »Ehrfurcht vor den grauen Haaren der Tugend« geboten, einen alten, verdienten Mann »am Rande des Grabes« und seine menschenfreundlichen Träumereien mit Schonung zu behandeln, fragt sie und setzt Price ein liebevolles Erinnerungsdenkmal. Sie sehe ihn vor sich, wie er auf der Kanzel steht, »mit gefalteten Händen und fromm niedergeschlagenem Blick, und mit der einfachen Kraft wahrer Frömmigkeit betet; oder auch in aufrechter Haltung, wenn er seinen Zuhörern die Würdeder Tugend einprägte und ihnen die Lehren ans Herz legte, die sein eigenes Leben schmückten; Wohlwollen belebte alle seine Züge, und seine Stimme war ein getreuer Spiegel seiner Überzeugungen. Der Prediger, der nur klar sein wollte, wurde beredt, und die Achtung, die er hervorrief, schien nur die Achtung für die personifizierte Tugend und gereifte Weisheit zu sein«.
Marys Schrift ist schwungvoll, aber im Ton und in der Sache vielfach noch unsicher. Man spürt, daß sie sich bei den persönlichen Attacken, die sie gegen Burke richtet, nicht wohl fühlt. Zu merken ist aber auch, daß sie sein
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