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Auf Forsters Canapé: Liebe in Zeiten der Revolution (German Edition)

Auf Forsters Canapé: Liebe in Zeiten der Revolution (German Edition)

Titel: Auf Forsters Canapé: Liebe in Zeiten der Revolution (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Naumann
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meinem letzten Besuch kam ich nie ohne ein fast schmerzhaftes Herzklopfen zu ihm, aber der Reiz seiner Unterhaltung und seine Freundlichkeit waren so groß, daß meine Besuche sich oft auf mehrere Stunden ausdehnten.« Mit niemandem sonst habe sie sich so frei unterhalten können wie mit ihm und nie habe sie Gespräche so genossen, schreibt sie. Nie auch habe Füssli sich über gelehrte Frauen lustig gemacht oder Verachtung über Unwissenheit erkennen lassen. Wenn sie mit ihm nicht übereinstimmte, habe sie das auch sagen können. Allerdings sei sie meist seiner Meinung gewesen.
    Mary ging es wie Miss Patrickson. Sie war fasziniert von Füssli – und er von ihr. »Er fand bei ihr eine größere Empfänglichkeit für den Eindruck, den die Malerei ausüben will, als sie ihm noch jemals bei anderen Menschen begegnet war. Die Unterhaltung der beiden bewegte sich auch zumeist um die Malerei und solche Gegenstände, die mit ihr in engem Zusammenhang stehen, und sie fanden diese Themen unerschöpflich.«
    Ein weites Feld! »Ich fange immer etwas aus dem reichen Strom seiner Beredsamkeit, das es wert ist, in meiner Erinnerung als Schatz gehütet zu werden und meinen Geist zu beschäftigen«, sagte sie. Füssli öffnete ihr neue Welten, führte sie in diephysiognomischen Lehren Lavaters ein, begeisterte sie für seine Lieblingsautoren, erzählte ihr seine bewegte Lebensgeschichte. Auf Wunsch seines Vaters hatte er erst Theologie studiert und war Pfarrer geworden, hatte die ihm vorgezeichnete Bahn aber dann verlassen und sich in Rom zum Maler ausgebildet. Sein Beispiel zeigte ihr, wie weit man es aus eigener Kraft bringen konnte. »Wenn sie sich mit ihm unterhielt, entfalteten sich alle ihre Seelenkräfte; ihr ausdrucksvolles Gesicht wurde von Geist belebt, und die anmutigsten, natürlichen Gesten verliehen ihrer Unterhaltung Energie.«
    In Marys literarischen Arbeiten aus dieser Zeit stoßen wir überall auf Füsslis Spuren, aber auch auf die Phantasien, die sie um ihre Beziehung wob – unter seiner Mitwirkung. In einem Romanfragment – Arbeitstitel The Cave of Fancy [ 43 ]  – begegnen wir ihm in der Prospero-Gestalt eines Magiers und Insel-Einsiedlers mit dem sprechenden Namen Sagestus [von sage: der Weise] und ihr in Gestalt seiner Ziehtochter und Schülerin Sagesta, der einzigen Überlebenden eines Schiffbruchs, die der Sturm an Land gespült hat.
    In ihrem Roman Mary läßt sie ihn sogar unter seinem wahren Vornamen auftreten. Die Titelheldin ist siebzehn Jahre alt, als sie von ihrem Vater an einen jungen Mann verheiratet wird, den sie kaum kennt. Der Vollzug der Ehe wird für ein Jahr verschoben, weil ihr Angetrauter sofort nach der Zeremonie für ein Jahr ins Ausland reisen muß. Sie selbst begleitet ihre schwindsüchtige Freundin auf eine Erholungsreise nach Portugal, doch die stirbt bald nach der Ankunft. Da hat die fiktionale Mary schon einen neuen Gegenstand für ihr liebebedürftiges Herz gefunden, einen Mann, der sich ebenfalls aus gesundheitlichen Gründen im Süden aufhält. Henry ist sehr viel älter als sie, gebildet, geistreich, künstlerisch hoch begabt – ein Virtuose auf der Geige –, war früher Geistlicher, hat ein ziemlich häßliches Gesicht with the strong lines of genius und ein bewegtes Leben mit vielen Frauengeschichten hinter sich: Woman – lovely woman! thou hast charmed me! Als dieser faszinierende Mann ihr seine »väterliche« Freundschaft anträgt, ist sie überwältigt und gibt sich ihren Gefühlen für ihn hin. »Sie fragte sich nie, was für eine Art von Neigung sie für ihn hatte oder wohin sie zielte; sie wußte auch nicht, daß Liebe und Freundschaft sehr unterschiedlich sind; sie dachte voller Entzücken, daß es einen Menschen in der Welt gab, der sie gern hatte – und für diesen Menschen empfand sie Bewunderung – und Freundschaft. Er hatte sie sein dear girl genannt; diese Worte hatte er vielleicht eher zufällig geäußert, aber sie nahm sie begierig auf. Sie sein Kind, was für Vorstellungen löste das in ihr aus! Wenn sie einen Vater, einen solchen Vater gehabt hätte! – Sie konnte bei den Gedanken, die sich ihr aufdrängten, nicht verweilen. Sie war sich selbst entglitten, und unbemerkt ergriff Leidenschaft von ihr Besitz.«
    Entschlossen, ihr Eheversprechen zu halten, reißt sie sich von ihm los, kann sich aber von ihrer quälenden Leidenschaft nicht befreien. Sein naher Tod bringt sie zu letzten erschütternden Begegnungen an sein Krankenlager. Nachdem

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