Auf Forsters Canapé: Liebe in Zeiten der Revolution (German Edition)

an eine einfache Lebensweise gewöhnt ist, und zeigen jenen männlichen Geist, der von jeher den Stolz, ja den Charakter eines Republikaners ausgemacht hat. Er beginnt seinen ersten Brief mit dem Versprechen, das einfache, vernünftige und glückliche Leben der Amerikaner in den back settlements den verfeinerten, unnatürlichen Gewohnheiten der Europäer entgegenzustellen, die seiner Ansicht nach von den schlechten Gesetzen herrühren, die auf ihrem Kontinent herrschen, und von demschädlichen System, Religion mit Politik zu vermengen, was zu allgemeiner Verderbnis geführt hat.«
    Amerika gegen Europa? Wie Imlays Biograph Wil Verhoeven gezeigt hat, lag das geschmähte alte Europa für Imlay auch in Amerika selbst. »Die Cumberland- und Allegheny-Plateaus werden uns weniger als physische denn als moralische Wasserscheide vorgeführt, die die ›angenehme Gegend‹ pastoraler Unschuld von ›Vorurteil‹, ›Despotismus‹ und ›schäbiger Sophisterei‹ trennte, die nach Ansicht des Verfassers in Virginia dominierten.« Mit seinem Buch warb Imlay also für eine neue jakobinische Republik auf amerikanischem Boden, für einen Re-Import der aus Amerika nach Frankreich exportierten Revolution, zunächst in einem von Virginia abgespaltenen Kentucky, dann in einer erneuerten amerikanischen Föderation. Zur Realisierung dieses Planes hoffte er auf französische Unterstützung.
    Wo und wie Imlay die Zeit nach der Veröffentlichung seines Werkes verbrachte, wissen wir nicht. In London? In Paris? Seine Biographen, die in aufopferungsvoller Archivarbeit erstaunlich viel über ihn herausgefunden haben, bleiben uns die Antwort darauf schuldig. Gut ein Jahr später, im Februar und März 1793, finden wir ihn jedenfalls wieder in literarischen Geschäften in London. Kentucky war im Juni 1792 als 15. Bundesstaat der amerikanischen Föderation beigetreten, was eine zweite, überarbeitete Auflage der Topographical Description erforderlich machte. Außerdem bereitet er die Drucklegung eines neuen Werkes vor. Am Donnerstag, dem 12. März, kündigte es der Londoner Morning Chronicle unter der Rubrik »Neue Romane« an: »Heute erscheint in drei Bänden DIE EMIGRANTEN oder GESCHICHTE einer AUSWANDERER - FAMILIE , eine nach wirklichen Charakteren gezeichnete Darstellung englischer Sitten. Geschrieben in Amerika von G. Imlay.«
    Bald danach begegnen wir Imlay in Paris als Gast von Thomas Christie und als Geschäftspartner seines Landsmanns Joel Barlow, der sehr gute Beziehungen zur Politik hat und Imlay als Experten in ehrgeizige Pläne der französischen Regierung involviert. Nachdem sich Frankreich auch mit Spanien im Krieg befindet, denkt man daran, Truppen nach Amerika zu schicken und Spanisch-Louisiana zurückzuerobern. Imlay spricht sich in zwei Denkschriften entschieden dafür aus. Ein solches Unternehmen werde politisch und finanziell von größtem Vorteil sein und wenig kosten. Die amerikanischen Siedler am Mississippi und Ohio würden dieses Unternehmen tatkräftig unterstützen. Am Horizont sieht er schon das erträumte jakobinisch-amerikanische Imperium. Nach dem Sturz der Girondisten wurden diese Pläne samt Imlays Mémoires dann ad acta gelegt.
    Am 19. April schreibt Joel Barlow an Ruth in London: »Unter uns – Du darfst zu ihr oder Johnson oder irgend jemandem sonst nichts darüber sagen – Ich glaube, daß Mary einen Liebsten hat und daß sie am Ende mit ihm als seine Frau nach Amerika gehen wird, er ist aus Kentucky und ein sehr vernünftiger Mann.«
    Um diese Zeit lassen Marys Biographen, angefangen mit Godwin, denn auch meistens ihre Beziehung zu Imlay beginnen. Aber es gibt Fragezeichen. Da sind Marys geheimnisvolle Anspielungen vom Januar und Februar – sie habe in Frankreich mehr als nur Aufmerksamkeit und Höflichkeit gefunden –, die für einen früheren Kontakt sprechen könnten. Da ist ihr aus dem Nachlaß veröffentlichtes Romanfragment The Wrongs of Woman , in dem sie ihre Beziehungen zu Imlay, Godwin und Füssli zu ungleichen Teilen verarbeitet hat. Bevor Maria, die unglücklich verheiratete Romanheldin, die persönliche Bekanntschaft eines Mannes namens Henri Darnford macht (unter Umständen, von denen später noch einmal die Rede sein wird), hat sie sich durch die Lektüre von Büchern aus seinem Besitz schon in ihn verliebt.
    »Die kleine Sammlung bestand aus Drydens Fabeln, Miltons Verlorenem Paradies und einigen modernen Werken. Es war eine Schatzgrube. Einige Randbemerkungen zu Drydens Fabeln