Auf Forsters Canapé: Liebe in Zeiten der Revolution (German Edition)
erregten ihre Aufmerksamkeit. Sie waren mit Entschiedenheit und Geschmack geschrieben. Und in einem der modernen Pamphlete fand sie das vergessene Fragment einer Abhandlung, das verschiedene Beobachtungen über den gegenwärtigen Zustand der Gesellschaft und der Regierung enthielt einschließlich eines Vergleichs der Politik in Europa und Amerika. Wo diese Bemerkungen auf den versklavten Zustand der arbeitenden Mehrheit anspielten, sprach aus ihnen eine großzügige Wärme, die ganz mit Marias Denkweise übereinstimmte.
Maria las diese Bemerkungen immer wieder, und die Phantasie, die trügerische Phantasie, begann, nach diesen schattenhaften Umrissen einen Charakter zu entwerfen, der dem ihren seelenverwandt war.«
Durch den Briefwechsel, der nun beginnt, steigern sich die beiden immer mehr in ein leidenschaftliches Verlangen hinein. Bei der ersten Begegnung aber »flossen ihre Herzen nicht über«, und auch danach dauert es noch eine Weile, bis sie sich in Liebe finden. »Sie erlebten einen solchen Himmel, daß das Paradies um sie herum blühte oder sie sich durch einen mächtigen Zauber in Armidas Garten versetzt fühlten.«
Und da ist Imlays Briefroman The Emigrants , der wie die Topographical Description für die Auswanderung ins Ohio-Tal wirbt, diesmal aber in fiktionaler Form. Im Zentrum der Handlung um eine Auswandererfamilie steht die Liebesgeschichte zwischen der schönen (englischen) Caroline und dem tapferen (amerikanischen) Captain Arlington, die am Ende, nachdem der Captain die Geliebte aus indianischer Gefangenschaft gerettet hat, glücklich vereint in einer utopischen Gemeinschaft an den Ufern des Ohio leben, die den paradiesischen Namen Bellefont trägt. Thematischer Schwerpunkt und Auswanderungsgrund ist das Unrecht, das die Frauen in England alltäglich erleiden müssen, insbesondere aber die Barbarei des englischen Eherechtes, das verheiratete Frauen praktisch zum Besitz ihres Mannes machte – nicht einmal über das Geld, das sie in die Ehe eingebracht hatten, durften sie verfügen – und sie gewissermaßen zu lebenslanger Sklaverei verurteilte. Scheidung war so gut wie unmöglich. Dazu brauchte es schwerwiegende Gründe wie Inzest, Bigamie und Sodomie, sehr viel Geld und einen Parlamentsbeschluß. »In den letzten 200 Jahren war sie nur vier Frauen gelungen.«
Wenn eine Frau es einfach nicht mehr aushielt und ihrem Mann davonlief und er auf Verfolgung verzichtete, war gesellschaftliche Ächtung der Preis für ihre Freiheit. »Meine Lage ist unerträglich, denn weil ich mich gezwungen sah, das Bett eines Mannes zu verlassen, der mir Abscheu einflößt, muß ich dauernd die gröbsten Beleidungen ertragen«, klagt eines dieser mißhandelten Geschöpfe, Carolines Schwester Eliza.
Eliza, wie Marys Schwester, der diese 1784 zur Flucht aus ihrer Ehe verholfen hatte. Wahrscheinlich litt Eliza an einer Schwangerschaftspsychose, jedenfalls steigerte sie sich nach der Geburt ihres ersten Kindes, einer Tochter, in eine so heftige Abneigung gegen ihren Mann hinein, daß Mary um ihr Leben fürchtete und offenbar keinen anderen Ausweg für sie sah. Eine verhängnisvolle Rettungsaktion. Das zurückgelassene Kind starb kurz nach seinem ersten Geburtstag. Eliza vertauschte die Befreiung aus der Knechtschaft der Ehe mit einem Leben in erniedrigender Abhängigkeit als Gouvernante. Sie wurde von Schuldgefühlen gequält. Die Hoffnung auf Familienglück mußte sie begraben. In England hatte sie keine Zukunft.
Anders als die Eliza in den Emigrants . »Stelle Dich unter den Schutz von Mr. Ilray, wirf Deine Ketten ab und fliehe ins Land der Freiheit und der Liebe«, fordert Caroline sie auf, und das tut Eliza denn auch. Zum glücklichen Ende verlobt sie sich mit ebendiesem Mr. Ilray. Sie werden zu Caroline und Captain Arlington nach Bellefont ziehen.
Ich halte es für durchaus möglich, daß Imlay durch Mary von Elizas Ehedrama erfahren und die Geschichte in sein Buch eingearbeitet hat. Mitautorin der Emigrants , wie vermutet worden ist, war sie sicher nicht. Das Buch ist einfach zu schlecht und unverkennbar aus männlicher Perspektive geschrieben. Der Autor und sein Held gefallen sich in der klassischen Rolle des ritterlichen Beschützers und Anwalts des schönen, aber schwachen Geschlechts.
Wenn der Schöpfer in seiner Weisheit beschlossen habe, daß es einen Unterschied zwischen den Geschlechtern geben solle, wie gütig und großzügig sei die Vorsehung bei der Gestaltung der Frau gewesen, »geschaffen mit
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