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Auf Forsters Canapé: Liebe in Zeiten der Revolution (German Edition)

Auf Forsters Canapé: Liebe in Zeiten der Revolution (German Edition)

Titel: Auf Forsters Canapé: Liebe in Zeiten der Revolution (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Naumann
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gestattet, ihrem Geschlecht abzuschwören und sich zu Männern zu machen?« fragte Pierre Gaspard – neuerdings Anaxagoras – Chaumette, der Präsident der Pariser Kommune. »Seit wann ist es Brauch, daß sie die fromme Sorge des Haushaltes, die Wiege ihrer Kinder verlassen, um auf die öffentlichen Plätze zu kommen, von der Tribüne herab Reden zu halten, in die Reihe der Truppen zu treten, mit einem Wort, Aufgaben zu übernehmen, welche die Natur allein dem Mann zugeteilt hat? Die Natur hat zum Mann gesagt: Sei Mann! Die Wettrennen, die Jagd, der Ackerbau, die Politik und die Anstrengungen aller Art sind dein Vorrecht. Sie hat zum Weib gesagt: Sei Weib! Die Sorge für deine Kinder, die Aufgaben des Haushalts, die süße Unruhe der Mutterschaft, das sind deine Arbeiten! Unkluge Frauen, warum wollt ihr Männer werden? Ist die Menschheit nicht genug geteilt? Was braucht ihr mehr? Im Namen der Natur, bleibt, was ihr seid; und statt uns um die Gefahren eines so stürmischen Lebens zu beneiden, begnügt euch damit, sie uns im Schoße unserer Familien vergessen zu machen, indem ihr unsere Augen auf dem entzückenden Schauspiel unserer durch eure zärtliche Fürsorge glücklichen Kinder ruhen laßt.«
    Von der Natur haben sie damals alle lernen wollen, auch Mary. Sie hatte die Frauen nicht auf dem Rednerpult gesehen, sondern erst einmal als Erzieherinnen ihrer Kinder. Nun wurde sie selbst Mutter, in einem Alter, da die meisten Frauen damals schon mehrere Kinder geboren – und verloren hatten. Mit jeder Geburt riskierten sie ihr Leben, deshalb war dieses Ereignis mit tausend Ängsten, abergläubischen Vorstellungen und schützenden Bräuchen verbunden. Das Wochenbett zur Erholung von den Strapazen des Gebärens dauerte bei Frauen der höheren Klassen tatsächlich mehrere Wochen, was Mary für eine unnötige Verzärtelung hielt. Schließlich war Kinderkriegen keine Krankheit, sondern ein ganz natürlicher Vorgang. Und selbstverständlich würde sie ihr Kind stillen.
    Am 14. Mai 1794, zweieinhalb Wochen nach ihrem 35. Geburtstag, schenkte sie einem Töchterchen das Leben. Noch am gleichen Nachmittag wurde es den Behörden gemeldet.
    »Am 25. Floréal im Jahre II der einen und unteilbaren Französischen Republik ist uns, Charles François Renardet, Beamter des ersten Arrondissements besagter Gemeinde, im Saal des Rathauses von Havre-Marat, ein weibliches Kind präsentiert worden, das nach einer Erklärung des Bürgers Jean Wheatcroft, Sohn, Seifenfabrikant, an diesem Tag um zwei Uhr nachmittags in seinem Haus Rue de Corderie , Section Sans-Culottes geboren wurde und aus der gültigen Ehe des Bürgers Guilbert Imlay, amerikanischer Geschäftsmann, anwesend, mit der Bürgerin Marie Wolstonecraft, seiner Ehefrau, hervorgegangen ist, welches Kind durch besagten Wheatcroft Sohn und dessen Ehefrau Michelle Dorothée den Namen Françoise erhalten hat.« Françoise, die Französin, genannt Fanny, nach Marys geliebter Jugendfreundin.
    Am Tag danach war Mary wieder auf den Beinen, und nach einer Woche fühlte sie sich schon wieder ziemlich gesund und wohl, nur die »Milchflut« machte ihr Beschwerden. Die Schmerzen waren viel heftiger gewesen als erwartet, aber nichts hätte natürlicher oder leichter sein können als ihre Entbindung. »Ich erwähne diese Einzelheiten nicht nur, weil ich weiß, daß Sie sich darüber freuen werden, sondern um zu beweisen, daß dieser Kampf der Natur durch die Unwissenheit und Übertreibung der Frauen viel grausamer gerät als nötig. Meine Pflegerin ist zwanzig Jahre in diesem Beruf, und sie sagt mir, daß sie noch nie eine Frau erlebt habe, der es so gut gehe – und sie fügte als typische Französin hinzu, daß ich der Republik Kinder machen solle, da ich so wenig Aufhebens von der Sache machen würde. Zunächst allerdings war sie davon überzeugt, daß ich mich und das Kind umbringen würde, aber da wir leben, und zwar erstaunlich gut, fängt sie an zu glauben, daß der liebe Gott für die sorgt, die nicht für sich selbst sorgen. Es macht mir große Freude, Mutter zu sein – und die unablässige Zärtlichkeit meines überaus liebevollen Gefährten läßt mich dieses neue Band als Segen betrachten.«
    Der Brief war an Ruth Barlow gerichtet, die auf der Rückreise nach Amerika in Altona Zwischenstation gemacht hatte. Da dasSchiff, das ihn befördern sollte, verspätet in Le Havre eintraf, fügte Mary noch eine Nachschrift an. Es sei ihr nie besser gegangen, als jetzt am zehnten Tag nach der

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