Auf Forsters Canapé: Liebe in Zeiten der Revolution (German Edition)
Augenblick, bevor die Post abgeht, um Dir mitzuteilen, daß wir hier angekommen sind. Was ich auf dem Schiff gelitten habe, darüber will ich mich jetzt nicht weiter auslassen – und auch nicht erwähnen, wie froh ich war, als ich der felsigen Küste ansichtig wurde. – Heute morgen aber, als ich zu der Kutsche ging, die uns hierherbringen sollte, fiel ich ohne vorherige Warnung besinnungslos zu Boden – und wie ich mit dem Leben davonkam, weiß ich kaum zu sagen. 20 Meilen Fahrt im Regen nach dem Unfall haben mich ganz derangiert – und hier konnte ich kein Feuer bekommen, um mich zu wärmen, und überhaupt nichts Warmes zu essen; die Wirtshäuser sindrichtige Ställe – Ich muß trotzdem schlafen gehen. Laß mich um Gottes willen von Dir sofort hören, mein Freund! Mir geht es nicht gut, aber wie Du siehst, kann ich nicht sterben.«
33 Karte von Mary Wollstonecrafts
skandinavischer Reise.
In Göteborg führt sie Gespräche mit Imlays bisherigem Agenten Backman, der sie aus dem Wirtshaus-Stall erlöst, gastlich in seinem Haus aufnimmt und ihr Unterstützung zusagt. Als sie nach etwa einer Woche zur Weiterfahrt nach Norden aufbricht, läßt sie Fanny in Marguerites Obhut bei ihm zurück. Die Reisetherapie beginnt Wirkung zu zeigen. »Ich bin ziemlich lebhaft, trotz meines Kummers, was besser ist als die stumpfe Erstarrung, die im letzten Jahr alle meine Kräfte gefrieren ließ.« Die Bewegung an der reinen Luft tut ihr wohl. Sie fühlt sich gesünder, schläft gut, und ihre Wangen färben sich rosig. »Sag mir nicht, daß Du ohne uns glücklicher bist – willst Du nicht zu uns in die Schweiz kommen? Ach, warum liebst Du uns nicht mit mehr Empfindung?«
Während sie in Strömstad auf das Schiff wartet, das sie nach Larvik bringen soll, schreibt sie schon wieder. Sie leidet Qualen, weil sie immer noch keinen Brief von Imlay hat. »Aber ich werde mich nicht beklagen – Es gibt Unglücksfälle, die so groß sind, daß man seinen Kummer nur noch durch Schweigen ausdrücken kann. – Glaub mir, es gibt so etwas wie ein gebrochenes Herz. Und doch, wenn mir noch irgend etwas gefallen könnte – wenn mich nicht die Enttäuschung vom Leben abgeschnitten hätte, dann könnten dieses romantische Land und diese schönen Abende einen Reiz für mich haben.«
Fast einen Monat bleibt sie in Tønsberg (nördlich von Larvik), führt Gespräche, offenbar mit dem Ziel, eine außergerichtliche Einigung zu erreichen, und macht einen Abstecher nach Risør, wo sie mit Peder Ellefsen zusammentrifft. Er lehnt es ab, Imlay für die verschwundene Ladung zu entschädigen, woraufhin Mary beschließt, Fanny in Göteborg abzuholen und nach Kopenhagen weiterzureisen, um ihre Ansprüche an höchster Stelle geltend zu machen. Sie ist so gesund wie lange nicht mehr, »Beschäftigung und Bewegung haben mir sehr geholfen«. Ruhig ist sie nicht, obwohl sie glückliche Momente gehabt hat, wenn sie durch den Wald wanderte und auf den Felsen rastete. Fünf Briefe Imlays sind ihr nachgeschickt worden. Einer davon ist in einem Ton geschrieben, den sie zwar verdient haben mag, aber nicht von ihm erwartet hätte. »Ich hasse mich selbst, weil ich Dich so lange mit meiner Liebe belästigt habe.«
Am Abend des 25. August ist sie wieder in Göteborg. »Ich war überaus glücklich, mein Baby wieder an mich drücken zu können«, schreibt sie in einem unglücklichen Brief. Imlay hat ihr Vorwürfe gemacht. »Du sagst mir, daß meine Briefe Dich quälen. Ich will nicht beschreiben, welche Wirkung Deine auf mich haben«, gibt sie zurück. Sie muß der Sache ein Ende machen. »Sei frei! – ich will Dich nicht quälen, wenn ich Dir nicht gefallen kann. Ich kann für mein Kind sorgen. Du mußt mir nicht dauernd sagen, daß unser Schicksal unzertrennlich ist, daß Du versuchen willst , Zärtlichkeit für mich zu bewahren. Tu Dir keine Gewalt an.« Sie wolle von ihm keine finanzielle Unterstützung. wenn er sie nicht mehr liebt. »Adieu – ich bin aufgewühlt – mein Körper wird von Krämpfen geschüttelt – meine Lippen zittern wie von Kälte geschüttelt, obwohl Feuer durch meine Adern zu kreisen scheint.«
Sie ist schon wieder am Ende ihrer frisch gewonnenen Kräfte. Des Reisens müde, hat sie kein Zuhause, zu dem sie zurückkehren könnte. »Ich bin ausgestoßen. Warum bin ich so verlassen? Ich habe mich auf einen Speer gestützt, der mir das Herz durchbohrt hat.« Was sie nicht dazu bringt, ihre Pflichten als Imlays Sachwalterin zu
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