Auf Forsters Canapé: Liebe in Zeiten der Revolution (German Edition)
ich kühn versichern, daß nichts, was ich in Dir gesehen habe, auch nur im geringsten zur Meinung berechtigen würde, daß Du, den falschen Anstand verachtend, den wahren aus den Augen verloren hättest. Ich sehe in Dir nichts als was ich achte und bewundere.
Ich kenne die Intensität Deiner Empfindungen, und es gibt vielleicht nichts auf der Welt, was mich mehr schmerzen würde, als Dein Unglück zu vermehren.
Hasse mich nicht. Ich verdiene es wirklich nicht. Laß mich nicht fallen. Werde nicht wieder ein Einsamer Wanderer. Laß mir Gerechtigkeit widerfahren, und dann wirst Du an mir zwar viel finden, was töricht und tadelnswert ist, aber eine Frau von Deiner Intelligenz wird mich doch mit besonderer Vorliebe betrachten.
Nach eingehender Prüfung finde ich in Dir einen Fehler, und nur einen. Du empfindest natürlich, und Du hast die Aufrichtigkeit, das zu bekennen. Daran tust Du gut, dessen bin ich sicher. Aber laß nicht zu, daß Deine Empfindungen Dich tyrannisieren. Schätze jede Sache nach ihrem wahren Wert. Es ist das beste, daß wir Freunde in jedem Sinn des Wortes sein sollten, aber bis dahin laß uns Freunde sein.
Erlaube, daß ich Dich sehe. Lassen wir allem übrigen seinen natürlichen Lauf. Meine Phantasie ist nicht tot, nehme ich an, obwohl sie schlummert. Aber sei dem, wie es sei, ich will Dich nicht mehr quälen. Ich will Dein Freund sein, der Freund Deines Geistes, der Bewunderer Deiner Vorzüge. Alles sonst überlasse ich der Zukunft, froh, wenn vollkommen glücklich, abwartend und still in dieser Hinsicht, solange das nicht so ist.
Sei glücklich. Entschließe Dich, glücklich zu sein. Du verdienst es. Alles, was das verhindert, ist Schwäche und Wahn; und eine Frau wie Du kann, muß, soll das abschütteln. Rufe mit Festigkeit die Energien auf, über die Du, wie ich sicher glaube, in einem so ausgezeichneten Maße verfügst.
Schick mir ein Wort, daß ich Dich in ein oder zwei Tagen sehen kann. Merkst Du nicht, wie schmerzhaft heftig meine eigenen Gefühle sind, während ich Dich mahne, ein Philosoph zu sein? Ich brauche etwas, das mich beruhigt, obwohl ich das nicht von Dir verlangen kann.«
Mary an Godwin um 2 Uhr mittags:
»Mir gefällt Dein letzter – darf ich sagen Liebes-Brief? – besser als der erste – und kann ich Dir davon einen besseren Beweis geben, als Dir zu sagen, daß er mich beruhigt hat – den ganzen Morgen über war mein Gemüt in schmerzlicher Unruhe, gepeinigt von alten Ängsten, die sich mit neuer Kraft noch vorne zu drängen schienen, um die gegenwärtigen Seelenqualen zu verschärfen – nun gut – es ist fast vorbei – ich meine all meine unvernünftigen Ängste – und ein ganzes Gefolge von Quälgeistern, die Du in die Flucht geschlagen hast – ich kann Dir ihre häßlichen Gestalten kaum so schnell beschreiben, als sie verschwinden – und laß sie gehen, wir werden sie nicht zurückholen, indem wir von ihnen sprechen. Du kannst mich sehen, wann Du willst.
Du sagst, Du brauchst etwas, das Dich beruhigt – wird es Dir helfen, wenn ich Dir die Wahrheit sage? Ich kann Dich nicht hassen – und ich meine auch nicht, daß Du das verdienst. Mehr noch, ich kann Dir meine Freundschaft nicht entziehen und willversuchen, Deine zu verdienen, damit Notwendigkeit Dich an mich bindet …
Jetzt sei ein guter Junge und lächele über mich, ich esse um halb fünf – Du solltest kommen und mir Appetit zum Essen geben, da Du ihn mir für das Frühstück raubtest.
Mary«
Godwin an Mary, am gleichen Nachmittag:
»Ich habe um ein Uhr einen Brief für Dich abgegeben. Erst zwei Stunden später wachte ich plötzlich auf und bemerkte meinen Irrtum. Ich war auf die Vorstellung von heimlicher Lust fixiert gewesen und vollkommen dumm und ohne Verstand in bezug auf Deinen Plan, bei mir zu bleiben – es ist unmöglich, daß er den Toten nicht zum Leben erweckt haben würde.
Vielleicht wirst Du mir nicht glauben, daß ich derartig begriffsstutzig war. Es scheint tatsächlich unglaublich. Ich denke aber, Du wirst mir zugeben, daß es kein Zeichen von Gleichgültigkeit ist, wenn die Gedanken eines Mannes so hartnäckig von einer Vorstellung besetzt sind, daß es selbst dann nicht gelingen würde, ihn zu einer anderen zu bringen, wenn man ihm mit einer Trompete ins Ohr blasen würde.
Mir bleibt nur, mich für mein absurdes Verhalten zu entschuldigen, was ich mit Haß gegen mich selbst tue. Da der Fehler nun entdeckt ist, mußt Du entscheiden, ob es zu spät ist, ihn
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