Auf Forsters Canapé: Liebe in Zeiten der Revolution (German Edition)
mitzuteilen, daß ich in sieben Tagen um sieben Uhr morgens ankommen werde, um nicht mehr abzureisen.
Soviel hiermit von
Ihrem Verehrer
W Godwin.«
* * *
Die zeitweilige Trennung bleibt »nicht ohne Wirkung auf beide Teile«, und dieser zärtliche, geistreiche Brief wird dazu beigetragen haben. »Räumliche Trennung vermag der Liebe eine feine ätherische Zartheit zu geben, die ohne sie kaum zu erlangen ist. Es ist, wie wenn die Geister der Liebenden ohne Medium miteinander verkehren würden und ohne Hindernis des irdischen Gerüstes.«
Nach seiner Rückkehr treffen sie einander fast jeden Tag.
»Als wir uns wiedersahen, geschah es mit erhöhter Freude, und ich darf wohl hinzufügen, mit entschiedenerer Vorliebe eines jeden Teiles für den anderen. Trotzdem dauerte es noch drei Wochen lang, bis das Geständnis, das auf beider Zunge schwebte, über die Lippen kam, aber es gab, wie ich schon gesagt habe, kein Hangen und Bangen und kein Warten auf das entscheidende Wort. Unsere Freundschaft ging über in Liebe.«
Chez moi , schreibt Godwin am 15. August in sein Tagebuch, ebenso am folgenden Tag. Chez elle ist er am 18. und am 20. August. Am 21. notiert er: chez moi, toute. Dazwischen lag die erste große Krise ihrer Beziehung.
Sein Verlangen nach Mary war so stark geworden, daß er es kaum noch aushielt. Sie zögerte, hielt ihn lange hin. Doch als sie am 16. August chez lui war, bot sie ihm an, die Nacht bei ihm zu verbringen. Er fühle sich nicht wohl, er habe Fieber, sagte er – und ließ sie gehen. Er hatte nichts verstanden.
Mary an Godwin, am Mittwoch, dem 17. August, morgens:
»Gestern habe ich die schmerzlichste Nacht seit langem gehabt. Ich fühle, daß ich mich darüber nicht deutlich ausdrückenkann, laß mich also kurz erklären, wie ich empfinde, nun da ich allein bin. Und doch, da ich so lange Zeit um meine Seelenruhe gekämpft habe, habe ich Angst, Gefühle bis zu ihrem Ursprung zu verfolgen, die an Todesqualen grenzen.
Genügt es nicht, wenn ich Dir sage, daß ich mit mir ganz zerfallen bin? Gekränkt und erniedrigt, weiß ich kaum, warum – und obwohl ich doch falschen Anstand verachte, fürchte ich fast, daß ich den wahren aus den Augen verloren habe. Wenn mich ein Wunsch letzte Nacht nach Frankreich oder Italien gebracht haben könnte, hätte ich meine Fanny genommen und wäre in einem Augenblick weggewesen, obwohl ich überzeugt bin, daß ich es bin und nicht der Ort, der der Veränderung bedarf. Meine Phantasie verleitet mich ewig zu frischem Unglück, und ich merke, daß ich bis zum Ende des Kapitels ein Kind bleiben werde. Du sprichst von Rosen, die üppig auf jedem Lebensweg wachsen – ich hasche nach ihnen, begegne aber nur den Dornen.
Ich will nicht ungerecht sein – ich kann nur sagen, daß es mir scheint, als habest Du nicht weise gehandelt, und als seist Du von Deinen Gefühlen so erfüllt gewesen, so wenig ich sie verstehe, daß Du meine vergessen hast – oder daß Du meinen Charakter nicht verstehst. Heute bin ich mit Fieber dran – es geht mir nicht gut – ich bin verletzt. Aber ich will Dich nicht verletzen. Betrachte das, was vorgefallen ist, als ein Fieber Deiner Imagination; als eine der schwachen irdischen Erschütterungen, denen Du ausgesetzt bist – und ich – werde wieder ein Einsamer Spaziergänger [ 57 ] werden. Adieu! Ich war dabei, hinzuzufügen Gott segne Dich!«
Godwin an Mary, am Vormittag des gleichen Tages:
»Wie soll ich Dir antworten? In einem Punkt stimmen wir überein: Ich spreche mit Dir in diesem Moment lieber schriftlich als auf andere Weise. Ich wäre beschämt, wenn ich Dir gegenüberstünde.
Du weißt nicht, wie ehrlich ich bin. Ich schwöre Dir, daß ich Dir nichts als die strenge und buchstäbliche Wahrheit sagte, als ich Dir schilderte, wie Du meine Phantasie am Sonnabend entzündet hast. 36 Stunden lang konnte ich an nichts anderes denken. Ich sehnte mich unbeschreiblich danach, Dich in in meinen Armen zu haben. Warum bin ich nicht zu Dir gekommen? Ich bin ein Tor. Ich fürchtete immer noch, daß ich mich täuschen könnte, was Deine Gefühle angeht, und daß ich mich mit unbegründeten Vermutungen nähren würde. Ich beschloß, darauf zu warten, daß sich die Sache von selbst lösen würde. Ich war mir nicht bewußt, daß die Glut meiner Imagination sich erschöpfen könnte. Doch das ist, wie ich annehme, kein ungewöhnlicher Fall.
Wie jeder Mensch kann ich nur von dem sprechen, was ich weiß. Aber das kann
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