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Auf Forsters Canapé: Liebe in Zeiten der Revolution (German Edition)

Auf Forsters Canapé: Liebe in Zeiten der Revolution (German Edition)

Titel: Auf Forsters Canapé: Liebe in Zeiten der Revolution (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Naumann
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aber sie ist bei Freunden auf dem Land.
    Nachdem sie im April in seiner Nachbarschaft eine möblierte Wohnung bezogen hat – sie plante zu dieser Zeit noch Reisen in die Schweiz und nach Italien –, macht sie ihm einen Gegenbesuch. 4. Wolstencraft calls.
    »Von diesem Tage an wuchs unsere Freundschaft stetig, wenn auch fast unmerklich. Wir faßten eine Vorliebe füreinander, wie sie mir immer als die zarteste Form der Liebe galt. Sie wuchs auf beiden Seiten in gleichem Maße. Es wäre dem genauesten Beobachter unmöglich gewesen festzustellen, wer von uns dem anderen vorangegangen sei. So wenig als ich das Vorrecht in Anspruch nahm, das alteingewurzelte Gewohnheit dem einen Geschlecht verleiht, überschritt sie die Grenze, die das Zartgefühl dem anderen auferlegt. Keiner von beiden Teilen hätte könnenals der handelnde oder der abwartende bezeichnet werden, keiner als der Netzauswerfer oder als der ins Netz Gegangene. Als es endlich zur Aussprache kam, gab es für beide Teile nichts mehr auszusprechen.«
    So wie sie einander einst im Gespräch verfehlt hatten, fanden sie nun im Gespräch zueinander. Sie liebten es, miteinander zu reden, sie redeten sich in ihre Liebe hinein. Und wenn sie nicht redeten, dann schrieben sie sich. Aus der kurzen gemeinsamen Zeit von etwa siebzehn Monaten, die ihnen vergönnt war, sind um die hundertsechzig Briefe und Billets überliefert. Einfach hatten sie es nicht miteinander. Sie waren beide nicht mehr ganz jung und anpassungsfähig, sie waren eigenwillige, meinungsstarke Menschen mit sehr unterschiedlichen Temperamenten. Mary, noch wund von dem langen quälenden Kampf um Imlay, war mißtrauisch, äußerst verletzlich, Godwin in Liebesdingen unerfahren.
    Nach Marys erstem Besuch drei weitere Begegnungen im April, sechs im Mai, mindestens zwölf im Juni. Godwin kürzt Marys Namen inzwischen zu Wt . ab. Im Juli ist er für ein paar Wochen auf Reisen, während sie umzieht. Mittlerweile hat sie ihre Reisepläne ad acta gelegt und sich nun doch entschlossen, in England zu bleiben, »vielleicht ohne sich darüber noch klar zu sein, wodurch dieser Umschwung in ihren Plänen bewirkt worden sei. Sie fand es nun an der Zeit, ihre Möbel, die sie bei einem Trödler in Aufbewahrung gehabt, nun wieder in Benutzung zu nehmen.«
    William Godwin an
    »Mrs. Imlay
    No. 16, 17 or 18
    Corner of Skinner's Street
    Judd Place, Somers Town
    London
    or No. 1, Cumming
    Street, Pentonville
    Chapel.
 
    Um mich hiermit einer Schuld, einer Verpflichtung, was soll ich sagen, zu entledigen, ergreife ich die Feder.
    O nein, ruft Mary, etwas pikiert, es ist also nichts als eine Pflicht?
    Nun, ich nehme alle meine Götter, um zu bezeugen – wissen Sie, wie viele es sind? – aber ich rufe sie alle auf und flehe sie an – daß Ihre Gesellschaft mich unendlich entzückt, daß ich Ihre Phantasie liebe, Ihren zarten Epikurismus, Ihre boshaften Seitenblicke, kurz, alles, was das bezaubernde tout ensemble der berühmten Mary ausmacht. Aber schreiben!
    Ach, ich habe leider kein Talent dazu, denn ich habe keinen Gegenstand. Soll ich einen Liebesbrief schreiben? Möge Luzifer mit mir davonfliegen, wenn ich das tue! Nein, wenn ich in Liebe mache, soll es mit dem vielsagenden Klang meiner Stimme sein, mit hinsterbenden Betonungen, mit sprechenden Blicken (durch die Gläser meiner Brille), mit all der Zauberkraft dieser unwiderstehlichen, universalen Leidenschaft. Fluch dem mechanischen, eisigen Medium von Feder und Papier! Wenn ich in Liebe mache, soll es in einem Sturm sein, so wie Jupiter Semele liebte und sie sofort in Asche verwandelte. Erschrecken Sie diese Drohungen nicht?
    Nun denn, worüber soll ich schreiben. Soll ich Ihnen eine Eloge auf Ihre Schönheit, Ihre Gaben und Ihre Tugenden schicken? O, das ist ein altes Thema, und wenn ich damit anfangen wollte, würde ich statt eines Blattes Papier tausende brauchen.
    Soll ich der Bürgerin Wollstonecraft ein Glückwunschschreiben zu den Siegen von Buonaparte schreiben? Soll ich, um ihre Herzmuscheln genießen zu können, einmal mehr vor ihr den heiligen Hieronymus, die heilige Cäcilie und andere unermeßlich wertvolle Schätze Revue passieren lassen, die dieser wilde Freibeuter den italienischen Städten geraubt hat?
    Erfinden Sie mir ein Thema bei meiner Rückkehr, und das nächste Mal, wenn ich aufs Land reise, werde ich Ihnen so einen Brief schreiben.
    Lassen Sie Margaret ein paar Zeilen in meinen Briefkastenstecken, um dem Hausmeister oder Gefängniswärter

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