Auf Forsters Canapé: Liebe in Zeiten der Revolution (German Edition)
diejenige Wirkung ausüben würde, die sie durch dasselbe anstrebte. Sie war sich der Schwierigkeit der Aufgabe, einen wirklich guten Roman zu schreiben, wohl bewußt und spannte darum alle Kräfte an, um diese Schwierigkeit zu besiegen.
Alle ihre anderen Werke hat sie in einer Hast geschrieben, die ihren Fähigkeiten nicht Zeit ließ, sich voll zu entfalten. Dieses aber ist langsam und mit reiflicher Überlegung verfaßt worden. Sie begann es in verschiedenen Formen, die sie nacheinander wieder verwarf, wenn die Arbeit auch schon erheblich fortgeschritten war. Manche Teile veränderte sie wieder und wieder, um schließlich die erste Form beizubehalten. Sie fühlte sich unwiderstehlicher dazu hingezogen, das bereits Geschriebene zu prüfen und wieder zu prüfen als in der Abfassung der noch fehlenden Teile fortzufahren.«
Marys eigenes Vorwort macht das Dilemma deutlich, in das sie Godwins Ehrgeiz – ein wirklich guter Roman! – geführt hatte. Sie hätte viele Szenen dramatischer gestalten können, schreibt sie, ihr zentrales Anliegen aber sei es gewesen, »das besondere Elend und die Unterdrückung der Frauen darzustellen, wie sie aus den einseitigen Gesetzen und Sitten der Gesellschaft erwachsen.« So habe sie beim Abfassen der Geschichte ihrer Einbildungskraft Zügel angelegt; »sie sollte eher als ein typisches dennals ein individuelles Frauenschicksal erscheinen.« Während sie in ihrem ersten Roman Mary die allgemeine Gültigkeit ihrer besonderen Erfahrungen wie selbstverständlich gesetzt hatte, sollte nun das Allgemeine das Besondere unterwerfen.
Doch Mary war zum Glück unheilbar subjektiv. Was von den Wrongs of Woman im Gedächtnis bleibt, ist nicht die Titel-Botschaft. Es ist die Liebesgeschichte zwischen ihrer Heldin Maria und dem romantischen Weltenbummler Henri Darnford, die mit einer Reflexion über die Macht der Phantasie verwoben ist. Sie beginnt in Bedlam, in einer Irrenanstalt, in die er durch Ränke geldgieriger Verwandter, sie durch Intrigen ihres Ehemanns geraten ist. Schon bevor sie ihn persönlich kennenlernt, ist sie in ihr Wunschbild von ihm verliebt, mit dem sie Briefe wechselt.
»Wenn sie an Darnford schrieb, war Maria von der traurigen Wirklichkeit abgelenkt und konnte die grausigen Geräusche in ihrer Nähe überhören, die zuvor unablässig ihre fiebernde Phantasie gefangengenommen hatten. Es erschien ihr selbstsüchtig, über ihre eigenen Leiden nachzugrübeln, inmitten von bedauernswerten Wesen, die nicht nur alles verloren hatten, was das Leben lebenswert macht, sondern sogar ihr Ich selbst. Daher beschäftigte sich ihre Einbildungskraft damit, in melancholischem Ernst die Irrwege des Elends, auf denen so viele der armen Kerle in dieses düstere Asyl geraten sein mußten, zur großen Quelle menschlicher Verderbnis zurückzuführen. Oft wurde sie um Mitternacht von Schreien dämonischer Wut oder gräßlicher Verzweiflung geweckt, ausgestoßen in so wüsten Lauten der Qual, daß sie vom Fehlen jeglicher Vernunft sprachen und Schreckensbilder in Marias Seele erzeugten, die weit furchtbarer waren als alles, was böse Träume je darin heraufbeschworen hatten. Es war der Aufruhr der Leidenschaften, den mitzuerleben sie verurteilt war. Die Vernunft nahm Maria an diesen Unglücklichen nur wahr als gelegentlich aufzuckenden Strahl, wie das flackernde Licht einer verlöschenden Kerze oder wie den Blitz, der die Wolken eines zürnenden Himmels teilt, nur um die Schrecken zu enthüllen, die die Dunkelheit verbarg.«
Als sie und Darnford dann einander kennengelernt und sich ihre Liebe gestanden haben –
»Einbildungskraft! Wer kann deine Macht beschreiben? Oder die flüchtigen Farben der Hoffnung, die du hervorzauberst, wiedergeben? Eine traurige Düsternis hatte Marias Horizont verdunkelt – jetzt brach die Sonne durch, ein Regenbogen leuchtete, und alle Aussichten schienen bezaubernd. Der Schrecken herrschte noch immer in den dunklen Zellen, und Argwohn lauerte in den Gängen. Die Schreie der Besessenen ließen die Herzensfreunde aufhorchen und staunen, daß sie sich so glücklich fühlten mitten in einer Grabstätte der lebend Toten. Sie tadelten sich sogar für ihre scheinbare Unempfindlichkeit; aber auf der ganzen Welt gab es keine glücklicheren Wesen.«
»Der Schrecken herrschte noch immer in den dunklen Zellen, und Argwohn lauerte in den Gängen« – das ist (nach Bedlam verschoben) Marys und Imlays Liebesort, das klaustrophobische Paris zur Zeit der terreur.
Ein
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