Auf Forsters Canapé: Liebe in Zeiten der Revolution (German Edition)
Happy-End war nicht vorgesehen. »Der Liebhaber untreu – Schwangerschaft – Fehlgeburt – Selbstmord«, skizzierte Mary den Fortgang der Handlung. Die glücklichen Täuschungen der Phantasie wirken nur für eine Zeit.
* * *
Hätte Marys Liebe zu Godwin die Wirklichkeitsprobe bestanden, hätte ihre Beziehung Bestand gehabt? Wenn ja, dann vielleicht, weil die Phantasie an ihr weniger Anteil hatte als an ihren großen Passionen zu Füssli und Imlay. Wenn nicht, dann aus dem gleichen Grund.
Manchmal gerieten sie heftig aneinander, aber Godwin fand allmählich Geschmack an seiner neuen Rolle als Ehemann. Er ging liebevoll mit Fanny um und freute sich auf seinen Sohn. Er und Mary waren aus irgendeinem Grund sicher, daß es ein Sohn werden würde, der den Namen seines Vaters tragen sollte. Als er im Juni eine längere Reise unternahm, flocht er in seine ersten Briefe liebevoll besorgte Sätze ein: Take care of yourself,my love, & take care of William. [ 58 ] Ihr gehe es gut, schrieb sie ihm zurück, bis auf den Aufruhr, den Master Williams Freude über sein Gedenken in ihr produziert habe. »Man verwöhnt Männer durch Offenheit, wie ich glaube, aber ich muß Dir doch sagen, daß ich Dich mehr liebe, als ich es vermutlich tat, als ich versprach, Dich für immer zu lieben – und ich will etwas hinzufügen, was Deinem Wohlwollen, wenn nicht Deinem Herzen Befriedigung verschaffen wird – daß ich alles in allem glücklich genannt werden darf. Du bist ein zärtliches, herzliches Wesen, und ich fühle, wie es meinen Körper durchfährt, Lust gebend und versprechend.« Als seine Briefe dann flüchtiger wurden und er später zurückkam, als sie erwartet hatte, machte sie ihm heftige Vorwürfe.
Die Wehen begannen am 30. August um fünf Uhr morgens. Godwin war auch an diesem Tag zum Arbeiten außer Haus gegangen. Im Verlauf des Vormittags schrieb sie ihm drei Nachrichten über ihr Befinden. »Gegen zwei Uhr nachmittags begab sie sich in ihr Schlafzimmer, das sie nicht wieder verlassen sollte. Das Kind wurde zwanzig Minuten nach elf geboren.« Kein Master William, sondern ein Mädchen, das natürlich Mary heißen sollte. »Aus Anstandsgründen, die am allerwenigsten dort entscheidend sein sollten, wo es sich um die Abwendung einer Gefahr handelt« (so Godwin tadelnd), hatte Mary auf »weiblicher Geburtshilfe« bestanden. »Sie fand es passender, es einer Hebamme zu überlassen, den Verlauf eines natürlichen Prozesses zu überwachen, der selten eines kunstgerechten Eingreifens bedürfe.«
In diesem Fall aber gab es Komplikationen. Als die Plazenta zweieinhalb Stunden nach der Geburt noch nicht ausgestoßen worden war, holte Godwin einen Arzt, der versuchte, sie herauszuwühlen, eine entsetzlich schmerzhafte und blutige Prozedur, die Mary das Leben kostete. Es wäre besser gewesen, dem natürlichen Prozeß auch weiterhin seinen Lauf zu lassen und abzuwarten. So aber kam es zu einer Sepsis. Am Samstag, dem 1. September, bekam Mary heftiges Fieber mit Schüttelfrost, und ihr Zustand verschlechterte sich von Tag zu Tag. In seiner Verzweiflung hatte Godwin seinen Hausarzt und Freund Dr. Fordyce hinzugezogen (was dessen Kollegen so verärgerte, daß er wegblieb). Am 3. September verbot er Mary das Stillen, »so daß wir junge Hündchen bestellen mußten, um die Milch abzusaugen. Das gab Mary Anlaß, um mit mir und den anderen, die sie pflegten, zu scherzen.« Sie erduldete alles mit »Gleichmut, Geduld und Zärtlichkeit.« Am Freitag den 8. September hieß es, »daß die einzige Möglichkeit, sie durch alle ihre Leiden hindurchzubringen, darin liege, daß man sie genügend mit Wein stärke. Das war nun meine Aufgabe. Ich begann damit um vier Uhr nachmittags. Aber für mich, der ich ganz unbekannt war, mit Krankheitserscheinungen und mit der Natur des menschlichen Organismus, war es eine fürchterliche Aufgabe, auf solche Weise mit einem Leben zu spielen, das mir das teuerste in der Welt war. Ich wußte nicht, was zu viel und was zu wenig war. Ich meinte, es sei notwendig, das Begonnene unter allen Umständen fortzusetzen. Das dauerte durch drei Stunden. Dann war ich so töricht, das Dienstmädchen, das eben das Zimmer verließ, zu fragen, wie es über den Zustand seiner Herrin denke. Sie antwortete, daß diese ihrer Meinung nach raschestens ihrem Ende entgegengehe.«
»Unsinnig« nennt Godwin diese zutreffende Auskunft, die ihn »vollständig aus der Fassung« brachte. Er holte Mr. Carlisle, einen weiteren Arzt, zur Hilfe,
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