Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Auf Forsters Canapé: Liebe in Zeiten der Revolution (German Edition)

Auf Forsters Canapé: Liebe in Zeiten der Revolution (German Edition)

Titel: Auf Forsters Canapé: Liebe in Zeiten der Revolution (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Naumann
Vom Netzwerk:
der nun beständig bei der Kranken blieb. Vier Personen teilten sich in ihre Pflege, zwei befreundete Damen, Marys Marguerite und Godwin selbst. Einige Freunde »verbrachten fast die ganze letzte Woche im Hause, um auf jeden Wink bereit zu sein, meine Aufträge in allen Teilen der Hauptstadt schnellstens zu besorgen …«
    »Um sechs Uhr morgens am Sonntag, den zehnten September, holte mich Mr. Carlisle, so wie ich ihn darum gebeten, aus dem Bett, in das ich mich um ein Uhr begeben hatte, denn ich wollte nicht plötzlich erfahren, daß sie nicht mehr sei.«
    Sept. 10.
    Sunday. 20 minutes before 8. – ––––––––––
––––––––––––––––––––
 
    Poor Mary , sagte Füssli, als er von ihrem Tod erfuhr.
    Fünf Tage später wurde sie auf dem Friedhof der St.-Pancras-Kirche bestattet. Auf den Grabstein, den einige ihrer Freunde stifteten, wurde die folgende Inschrift gemeißelt:
 
    MARY WOLLSTONECRAFT GODWIN
    Author of
    A VINDICATION
    OF THE RIGHTS OF WOMAN
    Born 27 April, 1759,
    Died 10 September, 1797.
    Lektionen
    Aus Marys hinterlassenen Papieren veröffentlichte Godwin unter anderem ein schmales Manuskript, das mit Lessons (Lektionen) überschrieben ist und aus vierzehn kurzen Kapiteln besteht: »Das erste Buch von mehreren dieser Art, die ich für mein unglückliches Mädchen hatte schreiben wollen«.
    Es ist originell und poetisch, ein philosophisch-pädagogisches Elementarwerk, das die Entwicklung des geistigen und moralischen Bewußtseins aus eigener Anschauung schildert. Mary begleitet ihr Töchterchen auf seinen ersten Schritten ins Leben, lehrt es sprechen, lenkt und erzieht es, Schritt für Schritt, nach Maßgabe seines Fassungsvermögens. Der Leser ist bei diesen Lebenslektionen dabei, als Zuschauer kleiner Filme gewissermaßen, deren Bilder zärtlich von Erinnerung und Sehnsucht durchwoben sind. Der große englische Biograph Richard Holmes hat darauf aufmerksam gemacht, wie selten und kostbar solche Einblicke sind. »Das ganz gewöhnliche Alltagsleben, familiäre Intimität ist das, was der Biograph – anders als der Verfasser einesRomans – nicht mit seinen Figuren teilen oder wiedererschaffen kann.«
    Mary geht mit Fanny spazieren, zeigt auf die Dinge und gibt ihnen Namen, zuerst den Mitgeschöpfen. Hund, Katze, Kuh, Pferd. Mann, Junge, Mädchen, Kind (das bist Du). Sie führt sein Händchen und läßt es fühlen: Kopf, Haar, Gesicht, Nase, Mund, Kinn.
    Komm, sagt Mary und macht Fanny vor, wie man sich in der Welt bewegen kann. Mach es mir nach: Gehe – Renne – Springe – Tanze. Sprich, Singe, Weine, Lache. Zeit und Raum. Tag und Nacht, Sonne und Mond. Fundamente des Miteinander. Geben, Nehmen, Behalten. Zählt ihr an den Fingern vor: Eins. Zwei. Drei …
    Einfache Wortverbindungen, mit denen man schon kleine Dramen des Alltags erzählen kann. Wasch Deine Hände. Schmutzige Hände. Warum weinst Du? Ein sauberer Mund. Gib mir die Hand. Ich habe Dich lieb. Küß mich. Braves Mädchen.
    Die Sätze werden länger, sie verbinden sich zu Geschichten, Familiengeschichten. Ein Brüderchen William ist angekommen.
    »Hast Du das Baby gesehen? Armes kleines Ding. Schau es an! Wie hilflos er ist. Vor vier Jahren warst Du so schwach wie dieser kleine Junge.
    Schau mal, er kann seinen Kopf nicht hochhalten. Er muß auf seinem Rücken liegen. Wenn seine Mama ihn nicht auf die rechte oder linke Seite dreht, wird er bald anfangen zu schreien. Er schreit, um ihr zu sagen, daß er nicht mehr auf dem Rücken liegen will.
    Vielleicht hat er Hunger. Was sollen wir ihm zu essen geben? Armer Junge, er kann noch nicht essen. Schau in seinen Mund, er hat keine Zähne. Was hast Du gemacht, als Du ein Baby warst wie er? Das kannst Du nicht sagen. Möchtest Du es wissen? Schau mal die Hündin mit ihrem hübschen Jungen an. Du hast Dir nicht so gut helfen können wie das Hundchen. Du hast nur Deinen Mund aufmachen können, wenn Du auf meinen Knien lagst so wie jetzt William. Deshalb habe ich Dich an meine Brustgelegt, und Du hast so genuckelt wie das Hundejunge jetzt, denn es war genug Milch für Dich da.«
    Der Vater kommt ins Bild.
    »Du hast sieben Monate lang keine Zähne gehabt und immer genuckelt. Aber als Du einen Zahn bekommen hattest, hast Du angefangen, an einer Brotkruste zu kauen. Es hat nicht lange gedauert, bis ein anderer Zahn plopp gemacht hat. Mit zehn Monaten hattest Du vier hübsche weiße Zähne, Du hast mich immer gebissen. Arme Mama! Ich habe nicht

Weitere Kostenlose Bücher