Auf Forsters Canapé: Liebe in Zeiten der Revolution (German Edition)
wiederholte, dann erklangen die feierlichen Worte als Echo von 600 000 Stimmen, während die Königin den Dauphin in ihren Armen hochhielt und ihn dem Volk und der Armee zeigte.«
Das Wetter war während der ganzen Feier miserabel gewesen,mit dunklen Wolken, Wind und heftigen Regenschauern, aber das Volk ließ sich die Feiertagslaune dadurch nicht verderben. »Einige riefen: ›Die Französische Revolution wird mit Wasser statt mit Blut zementiert.‹ Doch in dem Moment, da die geweihten Fahnen gezeigt wurden, brach die Sonne durch die Wolken, während das Volk die Augen zum Himmel als Zeugen der geheiligten Verpflichtung erhob, die sie eingingen. Auf ein ehrfurchtsvolles Schweigen folgten die Schreie, Ausrufe, Beifallskundgebungen der Menge. Die Menschen weinten, sie umarmten sich und gingen dann auseinander.
Sie werden sich denken können, daß ich kein gleichgültiger Zuschauer einer solchen Szene war. O nein! Dies war nicht die Zeit an nationale Unterschiede zu denken. Es war der Triumph der Menschheit, es war der Mensch, der die edelsten Eigenschaften seiner Natur zur Geltung brachte, und man mußte nur ein ganz normales Gefühl für Menschlichkeit haben, um in diesem Augenblick ein Weltbürger zu werden. Was mich angeht, so gestehe ich, daß mein Herz die universale Sympathie enthusiastisch aufnahm; meine Augen waren voller Tränen, und ich werde die Empfindungen dieses Tages nicht vergessen, ›solange die Erinnerung in meinem Busen lebt‹.«
Zwei Tage später trug das Journal de Paris den Wetterbericht für diesen Tag nach: Belle Journée, sur-tout entre 5 & 6 h. après-midi [ 10 ] .
Flitterwochen
Nach dem Föderationsfest gingen die Feierlichkeiten noch mehrere Tage weiter. Die ganze Stadt war blau-weiß-rot, Fahnen, Kokarden, die Kleider der Damen. Sogar der Statue des »guten Königs« Henri IV hatte man einen Trikolore-Schal umgebunden. Nachts gab es prächtige Illuminationen. Auf den Champs-Élysées waren die Bäume mit unzähligen Lampen behängt, am Pont Neuf zündeten die Feuerwerker spektakuläre Lichtspiele. Im Palais Royal, dem großen Vergnügungszentrum der Pariser, gab der Duc d'Orléans, der sich jetzt einfach Monsieur d'Orléans nannte, ein großes Essen für die Nationalgardisten. Die Menschen sangen und tanzten. Das Schauspiel, das Helen am meisten berührte, waren die Freudenbekundungen an der Bastille.
»Die Ruinen dieser abscheulichen Festung waren wie von Zauberhand in eine heitere, schöne Szenerie verwandelt worden. Der Boden war mit frischen Grassoden bedeckt, auf die man Reihen von jungen Bäumen gepflanzt hatte. Alles war strahlend hell illuminiert. Hier erreichte die Begeisterung der Menschen einen höheren Grad als an den anderen Festplätzen. Ihre wechselseitigen Gratulationen, ihre Erinnerungen an vergangene Schrecken, ihr lebhaftes Bewußtsein gegenwärtiger Glückseligkeit, ihre Rufe Vive la Nation [es lebe die Nation] klingen bis heute in meinem Ohr! Auch ich, nur eine Besucherin ihres Landes, war beglückt über ihr Glück, schloß mich dem Unisono der Stimmen an und wiederholte aus ganzem Herzen und ganzer Seele Vive la Nation .«
Schon hatte die propagandistische Vermarktung der Bastille begonnen, »die allen Lastern, gegen die sich die Revolution definierte, eine Form und ein Bild gab«. Der Bauunternehmer Pierre-François Palloy, der mit den Abbrucharbeiten beauftragt worden war, kreierte einen regelrechten Bastille-Sturm-Kult. Steine des geschleiften Bauwerks waren als Reliquien heiß begehrt. Kleine, mit Bastille-Mörtel hergestellte Nachbildungen gingen in alle Provinzen. Die Männer, die bei der Erstürmung der Festung umgekommen waren, wurden als Märtyrer gefeiert, die Überlebenden als Helden der Nation mit einer Art Bastille-Orden dekoriert. Man publizierte Prozeßprotokolle, historische Nachrichten zur Geschichte des Bauwerks, Inschriften, die Gefangene in die Wände geritzt hatten. Der Erlös kam den Hinterbliebenen der gefallenen Bastille-Stürmer zugute.
Der Besuch der Ruinen und der unterirdischen Verliese gehörtezum Pflichtprogramm für Touristen, die mit gruseligen Kerker-Geschichten unterhalten wurden und sich um die dem Ort angemessenen Empfindungen bemühten. Der junge William Wordsworth, der ihn im Dezember 1791 besuchte, hatte Mühe damit, wie er später in seinem autobiographischen Gedicht The Prelude bekannte.
Where silent zephyrs sported with the dust
Of the Bastille, I sat in the open sun,
And from the rubbish gathered up a
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