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Auf Forsters Canapé: Liebe in Zeiten der Revolution (German Edition)

Auf Forsters Canapé: Liebe in Zeiten der Revolution (German Edition)

Titel: Auf Forsters Canapé: Liebe in Zeiten der Revolution (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Naumann
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stone
    And pocketed the relic, in the guise
    Of an enthusiast; yet, in honest truth,
    I looked for something that I could not find,
    Affecting more emotion than I felt. [ 11 ]
     
    Helen natürlich fiel es leicht, die politisch korrekten Bastille-Gefühle in sich wachzurufen.
    »Bevor ich es zuließ, daß mich meine Freunde in Paris durch das übliche Besichtigungsprogramm von Klöstern, Kirchen und Palästen führten, äußerte ich den Wunsch, die Bastille zu besuchen; ich hatte ein viel stärkeres Verlangen danach, die Ruinen dieses Gebäudes zu betrachten, als die vollkommensten Bauwerke von Paris. Als wir in die Kutsche stiegen, rief unser französischer Diener dem Kutscher mit triumphierendem Gesichtsausdruck zu: À la Bastille, mais nous n'y resterons pas! [ 12 ]
    Wir fuhren unter dem Torbogen hindurch, durch den so viele Unglückliche auf Nimmerwiederkehr eingetreten sind, und stiegen unter Mühen in die Verliese hinab, die so niedrig waren, daß man darin nicht aufrecht stehen konnte, und so dunkel, daß wir sie, obwohl es Mittag war, bei Kerzenlicht besichtigen mußten.In den Kerkerzellen sahen wir die Haken der Ketten, mit denen die Gefangenen am Hals an den Wänden der Zellen befestigt wurden; viele dieser Zellen, die unter dem Wasserspiegel liegen, sind immer feucht, und die schädlichen Dünste, die ihnen entströmen und mehr als einmal die Kerze auslöschten, waren so unerträglich, daß man schon sehr wißbegierig sein mußte, um dennoch einzutreten. Gütiger Gott! – und in diese Schreckensregionen wurden menschliche Wesen durch die Willkür despotischer Mächte geschleppt!
    Diejenigen, die die Verliese der Bastille gesehen haben, ohne über die Französische Revolution zu jubeln, mögen sehr angesehene Personen sein und sehr angenehme Gefährten in Zeiten des Glücks; aber wenn ich zu verzweifeln drohte, würde ich bei ihnen keinen Trost suchen wollen. Sterne sagt, daß ein Mann nicht fähig sei, eine Frau wahrhaft zu lieben, wenn er nicht für ihr ganzes Geschlecht Zuneigung fühlt; ebensowenig würde ich bei denjenigen, die kein Gefühl für die Menschenliebe im Allgemeinen haben, nach Sympathie für einen besonderen Menschen suchen.«
    Die Freunde im fernen England, die Helen brieflich mit solchen Jubelarien beglückte, fanden ihren Enthusiasmus übertrieben. Sie werde noch als grimmige Republikanerin nach Hause zurückkehren! Für einen mit normaler Empfindungsfähigkeit ausgestatteten Menschen sei es schwierig, nicht mit dem Glück der Allgemeinheit zu sympathisieren, versuchte Helen zu erklären. »Meine Liebe zur Revolution ist das natürliche Ergebnis dieser Sympathie, und deshalb ist mein politisches Glaubensbekenntnis ausschließlich eine Herzenssache, denn ich würde mich lächerlich machen, wenn ich meinen Kopf in Angelegenheiten zu Rate ziehen würde, über die zu urteilen er unfähig ist.«
    Kann man auf demütigere Weise anspruchsvoll sein? Wenn Frauen nach landläufiger Meinung in der Politik nichts zu sagen und zu suchen hatten, für die Herzenssache des Glaubens waren sie von jeher zuständig. Wir sind es gewohnt, die Französische Revolution mit Kirchen- und Religionsfeindlichkeit in Verbindung zu bringen, aber tatsächlich erschien sie damals, in ihren Anfängen, vielen Menschen als Realisierung der Botschaft des Evangeliums, besonders in England. Helens nonkonformistische Freunde waren sich darüber einig. Geistliche wie Dr. Kippis, Dr. Price und Dr. Priestley, die davon überzeugt waren, daß die Menschheitsgeschichte einem von Gott festgelegten Plan fortschreitender Vervollkommnung folgte, hatten die Revolution als Vorschein des Milleniums, des Reiches Gottes auf Erden, begrüßt. Wer es mit dem Gebot der Nächstenliebe ernst meinte, mußte sich zu ihr bekennen.
    Das war dann auch die zentrale Botschaft der Briefe aus Frankreich , die Helen Maria Williams nach ihrer Rückkehr veröffentlichte.
    Es ist ein euphorisches Buch, die Schilderung ihrer Flitterwochen mit der Revolution, die sie gemeinsam mit der ganzen Nation feierte. »Wenn sie sich miteinander unterhalten, ist Freiheit das Thema, wenn sie tanzen, werden die Figuren des cotillon [ 13 ] einem patriotischen Lied angepaßt, und wenn sie singen, tun sie das nur, um der Verfassung erneut Treue zu schwören. In allen Straßen sieht man exerzierende Kinder mit Papierfahnen und Grenadierkappen in den Nationalfarben. Überhaupt erscheint die Freiheit in Frankreich geschmückt mit Jugendfrische, und sie wird mit dem Feuer der

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