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Auf Forsters Canapé: Liebe in Zeiten der Revolution (German Edition)

Auf Forsters Canapé: Liebe in Zeiten der Revolution (German Edition)

Titel: Auf Forsters Canapé: Liebe in Zeiten der Revolution (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Naumann
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Unangenehme wegzublenden und zu verdrängen! Nur einmal hat sie hinsehen müssen, und schon das hat sie kaum ertragen.
    »Als wir aus dem Rathaus kamen, wurde uns die berüchtigte Laterne gezeigt, an der in Ermanglung eines Galgens die erstenOpfer des Volkszorns zu Tode kamen. Ich gebe zu, daß der Anblick von la Lanterne das Blut in meinen Adern gefrieren ließ. In diesem Augenblick war ich zum ersten Mal betrübt über die Revolution. Die Unklugheit oder die Schuld dieser unglücklichen Männer vergessend, konnte ich nur mit Grauen daran denken, wie entsetzlich sie dafür gebüßt hatten. Ich stellte mir die Qualen ihrer Familien und Freunde vor, und es dauerte ziemlich lange, bis ich diese düsteren Bilder aus meinen Gedanken vertreiben konnte.
    Man wird immer bedauern müssen, daß ein solch dunkler Schatten wilder Rache auf die Glorie der Revolution gefallen ist. Aber ach! Wo finden wir in den Annalen der Geschichte eine Revolution ohne einige Akte der Barbarei? Wann steigen die Leidenschaften der menschlichen Natur zu jener Höhe, die große Ereignisse hervorbringt, ohne in Unregelmäßigkeiten auszuarten? Wenn die Französische Revolution ohne weiteres Blutvergießen bleiben sollte, muß man zugeben, daß trotz einiger weniger schockierender Vorfälle öffentlich ausgeübter Vergeltung die Freiheit von 24 Millionen Menschen um einen Preis eingehandelt wurde, der weit geringer war, als nach den bisherigen Erfahrungen zu erwarten gewesen wäre.«

Die patriotische Familie
    Die letzten Wochen ihres Frankreich-Aufenthaltes verbrachten Helen und Cecilia beim Ehepaar du Fossé, das sie auf sein Schloß in der Normandie eingeladen hatte. Sie machten verschiedene Ausflüge in die Umgebung und besuchten das nahe gelegene Städtchen Forges-les-Eaux, das schon seit dem 16. Jahrhundert wegen seiner eisenhaltigen Thermalquellen bekannt und als Kurort bei der guten Gesellschaft sehr beliebt war. Als sich die Schwestern zum erstenmal morgens am Brunnenhaus einstellten, »unter dem Vorwand, das Wasser zu trinken, in Wirklichkeit aber, um die Brunnengäste zu betrachten«, begrüßte mansie mit bouquets à la fontaine , Brunnen-Sträußchen aus purpurfarbenem Heidekraut.
    Vor ihrer Abreise hatte man Helen prophezeit, sie werde erleben, daß es mit der sprichwörtlichen Urbanität der Franzosen nun vorbei sei, die Revolution werde sie zerstören. Doch alles, was sie in Frankreich erlebte, überzeugte sie vom Gegenteil: Sie würden ihr savoir vivre in die neue Ordnung hinüberretten können.
    Ein Beispiel für die glückliche Versöhnung von alter und neuer Festkultur erlebte Helen beim Namenstagsfest des Schloßherrn am 28. August, dem Tag des heiligen Augustinus. Namenstag? Papistische Bräuche? Diplomatisch versuchte sie, dem Stirnrunzeln ihrer Landsleute mit einer eleganten Wendung vorzubeugen. »Ich bin überzeugt, daß Luther und Calvin sich mit diesen liebenswürdigen Ritualen des Aberglaubens versöhnt hätten, wenn sie bei unserer Feier dabeigewesen wären.« Aber von den alten Heiligen ist dann ohnehin nicht mehr die Rede.
    »Die Feier begann mit dem Abfeuern von Gewehrsalven. Danach betrat Mademoiselle du Fossé, in den Händen eine Blumenkrone, den mit Menschen gefüllten Salon und richtete folgende Worte an ihren Vater: › Mon très cher Papa , könnte ich einen günstigeren Moment wählen, um Ihnen ein schönes Fest zu wünschen, als diesen, da sich Ihre guten und wahren Freunde hier versammelt haben und sich mit mir zur Feier dieses glücklichen Tages vereinen? Auf Ihren Gütern, in Ihrem château ist es, cher Papa , wo die göttliche Vorsehung uns wieder vereint hat, zum Lobpreis Ihrer Tugenden, und der heroischen Standhaftigkeit, mit der Sie Ihre Leiden ertragen haben. Der Sturm ist vorbei, erfreuen Sie sich also, cher Papa , des wohlverdienten Glückes und der Hochachtung, die Sie sich bei allen fühlenden Herzen errungen haben. Möge Ihr geliebtes Kind zu Ihrem Glück beitragen, möge der Ewige alle meine Wünsche für die Erhaltung des Wohlergehens und des Glückes eines zärtlichen Vaters erfüllen, dem ich meine Verehrung, meine Dankbarkeit und die Empfindungen eines Herzens darbiete, das ganz ihm geweiht ist.‹«
    Nach dieser artigen Rede setzte das Fräulein seinem Vater die Blumenkrone auf, und er umarmte es zärtlich. Einige Damen traten vor, beschenkten ihn mit Blumensträußchen und wurden von ihm dafür umarmt.
    In diesem Stil ging es weiter.
    »Als wir in Paris waren, hatten wir ein reizendes

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