Auf Forsters Canapé: Liebe in Zeiten der Revolution (German Edition)
kleines Stück im Theater von Monsieur [dem Herzog von Orléans] gesehen, mit dem Titel Die Föderation oder Die patriotische Familie . Madame du Fossé hatte sich das Textbuch kommen lassen, und das Stück wurde nun von der im Schloß versammelten Gesellschaft aufgeführt. Die Pächter mit ihren Frauen und Töchtern bildeten den größten Teil des Publikums, und ich glaube, daß nie ein Stück mit mehr Beifall gespielt worden ist. Meine Schwester übernahm einen Part darin; ich lehnte erst ab, bis ich mich daran erinnerte, daß eine der Hauptrollen eine Statue war, worauf ich mich bereit erklärte, le beau rôle de la statue [die schöne Rolle der Statue] zu spielen. Und in der letzten Szene erschien ich als Allegorie der Freiheit, ausgestattet mit all ihren Attributen, und als Hüterin der geweihten Banner der Nation. Sie waren auf einem Altar niedergelegt, auf dem in transparenten Buchstaben die Inschrift zu lesen war: À la Liberté, 14 Juillet, 1789.
Am Ende sangen und tanzten die Mitwirkenden das Ça ira , das Kampflied der Revolution, das in vielen verschiedenen Varianten überliefert ist. Bekannt wurde es vor allem in der Fassung, die die Aristokraten an die Laterne wünscht, aber beim patriotischen Familienfest der du Fossés wird es noch versöhnlich geklungen haben.
Suivant les maximes de l'évangile
Du législateur tout s'accomplira.
Celui qui s'élève on l'abaissera
Celui qui s'abaisse on l'enlèvera.
Le vrai catéchisme nous instruira
Et l'affreux fanatisme s'éteindra.
Pour être à la loi docile
Tout Français s'exercera.
Ah! Ça ira, ça ira, ça ira! [ 14 ]
Der Tag schloß mit Feuerwerk, einem festlichen Abendessen und Tanz im Salon. Die Herren tanzten mit Bauernmädchen und die Damen mit Bauern. Vielleicht war es an diesem Abend, daß sich Cecilia Williams und Athanase Coquerel, ein Neffe der Madame du Fossé, ineinander verliebten.
Helen glaubte nie eine heiterere Szene oder vergnügtere Mienen gesehen zu haben. »Wenn ich an die Lage dachte, in der sich meine Freunde vor nicht allzulanger Zeit befunden hatten, erschien mir das Schauspiel, das ich vor Augen hatte, wie ein zauberisches Blendwerk.«
Ein charmantes Pamphlet
Nach Helens Rückkehr nach London war es »ihre erste Sorge und Pflicht«, die Publikation ihrer Reisebriefe vorzubereiten. Sie wollte ihre Landsleute für die Sache der Revolution begeistern. Das Buch mit dem Titel Letters Written in France, in the Summer 1790, to a Friend in England; Containing Various Anecdotes Relative to the French Revolution; and Memoirs of Mons. and Madame Du F –- erschien Mitte November 1790, zwei Wochen nach Edmund Burkes Reflections on the Revolution in France , das die Vorgänge in Frankreich in düsteren Farben malte und der Revolution ein schlimmes Ende prophezeite. Ihre abstrakten, rationalen Prinzipien würden der Komplexität der menschlichen Naturnicht gerecht, argumentierte er und glorifizierte die historisch gewachsene Klassengesellschaft in England. Zugleich hellsichtig und verblendet, wurde sein rhetorisch brillantes Pamphlet ein Bestseller und löste eine hitzige Diskussion aus. In den folgenden Monaten erschienen mehr als zwanzig Schriften von Parteigängern der Revolution, die sich mit seinen Thesen auseinandersetzten. Eine der ersten war Mary Wollstonecrafts Vindication of the Rights of Men , ihr Kollege Thomas Christie, der Mitbegründer und Redakteur der Analytical Review , folgte mit Letters on the Revolution in France. Im Februar 1791 erschien dann mit dem ersten Teil von Thomas Paines Rights of Man die weitaus bedeutendste Anti-Burke-Streitschrift.
Als die Dichterin Anna Seward Helen am 12. Dezember für ihr »charmantes Pamphlet« dankte, das ihr eine heitere Ansicht der Französischen Revolution zeige – right glad am I to see it –, kannte sie Burkes Buch nur vom Hörensagen. Als sie es dann las, war sie trotz einiger Einwände – Burkes Eintreten für ererbte Privilegien und seine »quichotehafte« Verteidigung der französischen Königin Marie Antoinette – sehr beeindruckt: »Miss Williams zeigte mir die sonnige Seite der Ereignisse, und ich war bereit ihr zu glauben. Ich nahm Mr. Burkes Pamphlet in der Überzeugung zur Hand, daß ich es verabscheuen würde, doch da ich meiner Vernunft niemals erlaube, sich von meinen Wünschen völlig blenden zu lassen, konnte ich mich weder den von ihm vorgelegten Fakten noch seinen erhellenden Analysen entziehen. Sie zeigen mir die Nationalversammlung als
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