Auf Forsters Canapé: Liebe in Zeiten der Revolution (German Edition)
Treffen in Pillnitz einer Antwort harrte und die Linke spaltete. Sollte Frankreich der sicher erwarteten Kriegserklärung der Allierten zuvorkommen und die Initiative ergreifen? Die Girondisten waren dafür, die Jakobiner dagegen. Robespierre warnte eindringlich vor dem Abenteuer eines europäischen Krieges, konnte sich aber nicht durchsetzen.
Am 20. April 1792 erklärte Frankreich Österreich den Krieg, »in Anbetracht der Tatsache, daß der Wiener Hof nicht aufgehört hat, aufrührerischen Franzosen unverhüllt Schutz zu gewähren, und gemeinsam mit mehreren europäischen Mächten ein Bündnis gegen die Unabhängigkeit und Sicherheit der französischen Nation geschmiedet und geschlossen hat und daß er die Vorbereitung von Feindseligkeiten fortgesetzt und ausgeweitet hat«.
Zugleich aber versuchten die Verfasser der Kriegserklärung, die friedlichen kosmopolitischen Ideale der Revolution in sie einzuschreiben. Federführend war dabei einer von Helens neuen Freunden, der Philosoph Condorcet. »Von den Tyrannen dieser Erde in einen Krieg gezwungen, hatten die Franzosen erklärt, daß die Soldaten sich auf fremdem Boden so verhalten würden wie auf französischem, wenn sie dort zum Kämpfen gezwungen würden; daß man sogar für die unbeabsichtigten Schäden, die die französischen Truppen verursachen würden, aufkommen würde; daß das Zurückschlagen von Gewalt, der Widerstand gegen Unterdrückung, das Vergessen vergangener Beleidigungen, die Aufnahme versöhnter oder entwaffneter Feinde als Brüder – daß das die Empfindungen waren, die die Nation in den Seelen der Franzosen finden würde, und das war der Krieg, den sie ihren Feinden erklärten.
Auf diese Weise hatte die französische Nation jedem groß empfindenden Menschen die Möglichkeit gegeben, sich für ihre Sache zu engagieren. Sobald man bekannt machte, daß die Truppen an den Grenzen Rekruten brauchten, meldeten sich in allen französischen Provinzen junge Männer als Freiwillige, erfüllt von einer Begeisterung, die nur das heilige Gefühl der Freiheit hervorrufen konnte.«
Farewell Helen
Kurz nach der Kriegserklärung reiste Helen für einige Wochen nach London, in Geschäften und um die Veröffentlichung ihrer neuen Letters from France vorzubereiten. England gehörte (noch) nicht zur antifranzösischen Koalition, aber seine Regierung (im Bund mit Presse und Justiz) kämpfte mit zunehmender Härte gegen die Reformer im eigenen Land. Im Mai erließ König Georg III . ein Edikt gegen die Verbreitung aufrührerischer Schriften. Der zweite Band von Thomas Paines Rights of Man wurde verboten. Der Prozeß gegen ihn mußte dann in seiner Abwesenheit geführt werden, da er sich vorsichtshalber nach Frankreich abgesetzt hatte. Man verbrannte Paine-Strohpuppen. In vielen Wirtshäusern waren »Jakobiner unerwünscht«.
Kein günstiges Klima für das Buch einer Revolutionsfreundin! Helen hatte damit eigentlich an das Erfolgsrezept ihrer ersten Briefe aus Frankreich anknüpfen und ihren Lesern weiter sonnige Ansichten aus dem Land der Freiheit bieten wollen. »Im gegenwärtigen Frankreich zu leben ist so, als lebte man in einem romantischen Fabelreich. Täglich gibt es hier die erstaunlichsten, wunderbarsten Begebenheiten«, verkündete sie gleich am Anfang. Doch dann schlug ihr die politische Entwicklung diese Botschaft aus den Händen. Am Ende des Buches war ihr gelobtes Land im Krieg und heillos zerstritten.
Fanatismus, Haß, Gewalt, Gemeinheit, Helen hat das alles gesehen, aber nicht sehen und schon gar nicht davon schreiben wollen, allenfalls im allgemeinen und apologetisch. »Sollen wir deswegen, weil die Freiheitsfanatiker einige entsetzliche Verbrechen begangen haben, daraus schließen, daß die Freiheit selbst ein Übel ist und die düstere Ruhe des Despotismus vorziehen? Die Untaten, die es ab und zu in der Kindheit der Freiheit gegeben hat, sind nur Folgen des Despotismus. Man hat die Menschen so lange unmenschlich behandelt, daß sie wild und blutrünstig geworden sind.«
Um der Revolution die Treue halten zu können, mußte sie ihre Ideale aus dem Würgegriff der Wirklichkeit retten. Am Schluß ihres Buches zeigt sie sich davon überzeugt, daß das Reich der Menschlichkeit, der Ordnung und des Friedens eines nicht allzu fernen Tages doch noch kommen werde. »Die Freiheit wird ihren wohltätigen Einfluß über die Nationen ausüben, und ›an ihren Früchten wird man sie erkennen‹.«
Nach bewährtem Rezept fügte sie wieder eine
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