Auf Forsters Canapé: Liebe in Zeiten der Revolution (German Edition)
Liebesgeschichte ein, die fast ein unglückliches Ende genommen hätte, wenn nicht die Revolution gekommen wäre …
Ein tyrannischer Vater hat seine Tochter Madeleine ins Kloster gesteckt, um deren unstandesgemäße Heirat zu verhindern, aber unmittelbar bevor die junge Frau als Nonne in den Orden aufgenommen wird, erläßt die Nationalversammlung ein Dekret, das die Einsegnung von Mönchen und Nonnen verbietet. Madeleine packt sofort ihre Sachen. »Ich habe die Revolution immer geliebt, dachte sie, und dieses letzte Dekret war sicher das beste und weiseste von allen – aber wenn es zu spät gekommen wäre! – Bei diesem Gedanken nahm Madeleine ihren Novizinnen-Schleier, der auf dem Tisch lag, und badete ihn in einer Flut von Tränen.«
Gleich am nächsten Morgen heiratet sie den Geliebten, und das junge Paar zieht nach Paris, »wo sie jetzt leben und, wie man mir sagt, zwei der glücklichsten Menschen und besten Patrioten in Frankreich sind.«
Es ist Helen nicht aufgefallen, daß sie damit auch die neue Tyrannei der Revolutionäre verklärte.
Was ihr bei ihren ersten Reportagen aus Frankreich genutzthatte – daß sie als Frau schrieb –, wurde nun von den Rezensenten als Schwäche verbucht. Leider mehr Herz als Kopf! Das Buch richte sich nicht so sehr an scharfsinnige Kenner der aktuellen Politik »als an liebenswürdige, aber vielleicht wenig klarsichtige Wesen«, fand der Kritiker der English Review. »Wir meinen die Politiker in Petticoats. Sein Verfasser ist ein weiblicher Demokrat, und weibliche Demokraten sollen seine Leser sein. Schon früher haben wir uns darum bemüht, sie mit Hilfe der in unseren Augen schlagendsten Argumente davon zu überzeugen, daß sie Gefahr läuft, ihr Leben als unverheiratete Frau verbringen zu müssen, wenn sie weiterhin eine so enragierte Demokratin bleibt.« Auch ihre Freundinnen rückten von Helen ab. Die Demokratin hätten sie ihr vielleicht noch als Verirrung nachgesehen. Aber Verstöße gegen die Konvention waren unverzeihlich.
»Helena Williams sollte aufpassen, mit wem sie umgeht, und das sollte auch Hester Piozzi«, schreibt diese am 15. September 1792 an Miss Weston und mokiert sich darüber, daß »dieser feine Herr, den sie in unser Haus mitgebracht hat«, in Paris in einem ganz gewöhnlichen Quartier logiert. In ihr Tagebuch notiert sie: »Helena Maria Williams ist dabei, ihren guten Ruf ihrer politischen Gesinnung aufzuopfern. Sie reiste aus England mit Mr. Stone ab, einem verheirateten Mann, der seine Frau hier zurückgelassen hat, aber sie ist nach Frankreich gegangen. Manche haben gemeint, das sei töricht gewesen, aber wie ich gerne sage, es hat immer eine alte klassische Verbindung zwischen Helena und Paris gegeben.«
Man of Mystery
Mit John Hurford Stone zieht Helen in eine John-Le-Carré-Welt der Spione, Agenten und Spekulanten ein. »Sein geheimnisvolles und außergewöhnliches Leben ist nie rekonstruiert worden«, schreibt Madeleine B. Stern, die ihm einen Aufsatz gewidmet hat. »Und doch spielte er eine faszinierende Rolle in den Annalen der britischen Kolonie in Paris. John Hurford Stone trug nicht nur die Freiheitsmütze, sondern auch Mantel und Degen.« Obwohl er in England und in Frankreich einen großen Bekanntenkreis hatte und in viele Projekte verwickelt war, wissen wir erstaunlich wenig über ihn. Nicht einmal ein Porträt ist überliefert, wie es scheint. Intelligent und belesen, ein »Mann von lebhafter Einbildungskraft und unruhigem Geist«, ein »Freund von Spekulationen und Innovationen«, blieb er im Hintergrund und war bei seinen risikoreichen Geschäften insgesamt erfolgreich, bis er sich in seinen späteren Jahren mit der Publikation von Reiseberichten Alexander von Humboldts übernahm. Der ihm gewidmete Artikel des Oxford Dictionary of National Biography verbucht »Stone, John Hurford (1763-1818)« als »Radikalen und Druckereibesitzer«.
Stone entstammt einer Dissenter-Familie aus Somerset. Nach dem frühen Tod seiner Eltern wächst er zusammen mit seinem jüngeren Bruder William bei einem Onkel in London auf, der für ihre Erziehung sorgt und ihnen sein Geschäft, eine Kohlenhandlung, vererbt, die sie zunächst gemeinsam weiterführen. Im September 1786 heiratet er eine Frau aus wohlhabender Familie, Rachel Coope, mit der er im Londoner Vorort Hackney lebt, dem Wirkungsort von Dr. Price. Durch ihn ist er wohl mit Dr. Priestley bekannt geworden, dem er sich als Jünger eng anschließt. Mit dem verehrten Lehrer glaubt er
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