Auf Forsters Canapé: Liebe in Zeiten der Revolution (German Edition)
besuchen, das nun der erste Wohnort der Freiheit geworden ist, feuert ihre Muse zu einer besonderen, mehr als üblichen Begeisterung an.«
Mrs. Piozzi fand es wieder mighty pretty und bemerkte eifersüchtig: »Helena Williams ist ein mutiges Fräulein und wird, wie ich hoffe, wegen ihres Entschlusses niemals ein verzweifeltes sein. Wenn ihr irgendetwas zustößt, wird man ihn als Übereilung entschuldigen, und wenn sie unversehrt zurückkehrt, wird man ihm Beifall zollen, weil er Anteilnahme an den großen Gegenständen des Lebens beweist.«
Anna Seward prophezeite einen französischen Liebhaber: »Wenn Helen Williams wieder nach Frankreich geht und auf so lange Zeit, ist es wahrscheinlich, daß sie für ihr Land verloren sein wird. Ihre Reize werden irgendein patriotisches Herz entflammen, worüber sie ihrerseits entzückt sein wird.«
Ihre neuen Letters from France läßt Helen dort beginnen, wo ihr erstes Buch aufgehört hatte: bei ihren Freunden in der Normandie. »Ich ergreife wieder die Feder, um Ihnen vom Schloß des Monsieur du Fossé zu schreiben, von wo ich Ihnen im letzten Jahr die Geschichte seiner Leiden berichtet habe, die mich dazu gebracht haben, die Revolution zu bewundern und zu lieben.« Und wieder stellt sie an den Anfang die Schilderung eines patriotischen Festes, zu dem sie gerade noch rechtzeitig eingetroffen war. Am 3. September, dem Tag, als die Nationalversammlung die neue Konstitution verabschiedete, war sie in Rouen und erlebte mit, wie die per Kurier eintreffende Nachricht vom Volk gefeiert wurde. Kanonen wurden abgeschossen, die Glocken aller Kirchen läuteten, die Menschen strömten auf die Straßen und brannten Feuerwerkskörper ab. Fremde fielen sich in die Arme.Man rief Vive la nation und vereinzelt auch Vive le Roi . Am Nachmittag wurde in der Kathedrale ein feierliches Te Deum zelebriert. Es war unmöglich, sich dem ungeheuren Enthusiasmus der Menschen zu entziehen, »die die Vollendung der glorreichen Arbeit einer freien Regierung feierten«.
Blind vor Liebe, fand Helen offenbar nichts an einer Verfassung auszusetzen, die nur Männern über dreiundzwanzig Jahren, die ein bestimmtes Steueraufkommen hatten, als Aktivbürgern das Wahlrecht zugestand und für Frauen überhaupt keine politischen Rechte vorsah. Sie glaubte, sie wollte unbedingt glauben, daß die Verheißungen des Konföderationsfestes vom Vorjahr Wirklichkeit geworden waren.
Der Gesellschaft der Verfassungsfreunde von Rouen (Societé des Amis de la Constitution à Rouen) überreichte sie ein Exemplar der französischen Übersetzung ihres Bestsellers; man würdigte ihr Engagement für die Sache der Freiheit mit einem Dankschreiben, worauf wiederum sie antwortete, welchen Austausch von Höflichkeiten die Gesellschaft dann in einer Auflage von dreitausend Exemplaren drucken und verbreiten ließ, samt einer schmeichelhaften Huldigung an Helens weibliche Reize. »Diese Ehrungen erfreuen den Kopf, aber sie gehen nicht zu Herzen«, schrieb sie in stolzer Bescheidenheit nach Hause.
Anschließend reiste sie mit der Familie nach Orléans weiter, wo sie für eine Weile bleiben wollte. In jedem Dorf, durch das sie kamen, sahen sie Transparente mit der kämpferischen Inschrift La liberté ou la mort [die Freiheit oder der Tod]. Monsieur d'Orléans und Madame de Genlis hatten sie mit Empfehlungsschreiben ausgestattet und ihnen eine prächtige Unterkunft mitten in der Stadt, im ehemaligen Stadtpalais des Herzogs, zur Verfügung gestellt, mit Blick auf die Place du Martroi mit ihrem bunten Markttreiben. Aber Orléans gefiel Helen dann gar nicht. Sie fand es provinziell und reaktionär und ärgerte sich, daß man die alte Feindschaft gegen England dort immer noch eifrig pflegte. Der 8. Mai war der Jahrestag, an dem la pucelle , die Jungfrau von Orléans, die Stadt von den englischen Belagerern befreithatte, und wurde »abergläubisch« mit Umzügen und einem Gottesdienst gefeiert, bei dem der Prediger die Verbrechen der Engländer und deren abscheulichen Umgang mit der Jungfrau in den schwärzesten Farben schilderte. Als in einer Gesellschaft das Gespräch auf die französischen Aufklärer, die »Philosophen«, kam, schimpfte eine Dame, formerly noble: »Hören Sie mir doch auf mit diesen Lumpen! Ihre unverschämten Schriften sind schuld daran, daß es uns jetzt so schlechtgeht.« Helen dagegen glaubte, daß »Freiheit dem Wissen so natürlich entspringt wie das Licht der Sonne«. Erwarteten ihre Leser nicht mehr von ihr als
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