Auf Forsters Canapé: Liebe in Zeiten der Revolution (German Edition)
fest daran, daß die Ereignisse in Frankreich »letztlich zum Glück der Menschheit führen würden«, und ist entschlossen, der Revolution auch auf den Britischen Inseln zum Sieg zu verhelfen. Dabei behält er sein eigenes Glück stets im Auge.
Dank seiner guten Französischkenntnisse fällt es ihm leicht, Kontakte nach Frankreich zu knüpfen, die er auch geschäftlich zu nutzen versteht. Als sich im Februar 1792 der französische Minister Charles-Maurice de Talleyrand in London aufhält, um angesichts des drohenden Krieges mit Österreich für die britische Neutralität zu werben, bringt Stone ihn in seinem Haus mit prominenten Republikanern zusammen.
Um diese Zeit fühlte er sich selbst in England nicht mehr sicher und bereitete seine Emigration nach Frankreich vor. Er hatte vor, in Paris eine Fabrik zur Herstellung von Sal ammoniacum [ 17 ] zu gründen, einem Stoff, der zum Beispiel für Färberei, Gerberei, Pyrotechnik und Medizin von Bedeutung war. Sein Geschäftspartner hierbei, wie dann auch bei weiteren Unternehmungen, wurde Athanase Coquerel, der Verlobte von Helens Schwester Cecilia.
Sechs Jahre zuvor hatte John Hurford Stone Helens Poems subskribiert. Nun sehen wir ihn zum erstenmal an ihrer Seite. Wann und wo haben sie einander kennengelernt? Erst in Paris, im Frühjahr 1792, oder doch schon Jahre früher? Dachte Helen an ihn, als sie die verzehrende Liebe ihrer Romanheldin Julia zu einem verheirateten Mann schilderte?
Krieg den Palästen
Die Tuilerien. Das Wort bedeutet eigentlich Ziegelhütten, die es wahrscheinlich vorzeiten in dieser Gegend gab. Das Tuilerienschloß ist von Katharina von Medici erbaut. Es besteht aus fünf Pavillons und vier Corps-de-Logis [ 18 ] und ist von außen mit Kolonnaden, Frontons [Giebeln], Statuen und endlich mit dem Bilde der Sonne und dem Namenszuge Ludwigs des Vierzehnten verziert. Die Ansicht dieses Palastes ist mehr angenehm als imponierend, wozu wohl die schöne Lage vieles beiträgt. Auf der einen Seite fließt die Seine, und vor der Hauptfassade ist der herrliche Garten der Tuilerien mit seinen Terrassen, Blumenstücken, Bassins, Statuen, und, was das beste ist, mit seinen alten, dichten Alleen, durch die man in der Ferne den schönenPlatz Ludwig des Fünfzehnten erblickt. Das Tuilerienschloß wird jetzt von der königlichen Familie bewohnt.
Nikolai Michailowitsch Karamsin,
Briefe eines russischen Reisenden
Helen und John Hurford Stone reisten gegen den Strom. Je näher sie Paris kamen, desto mehr Kutschen begegneten ihnen. Wer es sich leisten konnte, floh aufs Land. Aufruhr lag in der Luft. Geschürt von Scharfmachern wie Jean-Paul Marat, dem selbsternannten Freund des Volkes, war der Haß auf den König seit seiner verunglückten Flucht stetig gewachsen. Am 20. Juli drang eine feindselige Menge in die Tuilerien ein und zwang ihn, die rote Jakobinermütze aufzusetzen. In der Nationalversammlung forderte man seine Abdankung. Wenn er auftrat, wurde auf den Tribünen gejohlt und gepfiffen. Die Schmähungen gegen die Königin Marie Antoinette kannten keine Grenzen. Der österreichischen Hure, wie man sie nannte, wurde jede, aber auch jede sexuelle Perversion angedichtet. Sie war zum Symbol für den korrupten Körper der Monarchie geworden, um dessen Schändung und Zerstückelung die Phantasien lustvoll kreisten.
Das berüchtigte Manifest vom 25. Juli, für das der Herzog von Braunschweig als Oberbefehlshaber der Allierten seinen Namen hergab, obwohl es ein französischer Aristokrat verfaßt hatte, goß Öl ins Feuer. Es erklärte die Wiederherstellung des Ancien régime zum Kriegsziel, drohte widersetzlichen Bewohnern von Städten und Dörfern mit Erschießung, Zerstörung und Brandschatzung und forderte von den Parisern, sie müßten sich sogleich dem König unterwerfen, »ihn in volle Freiheit setzen und ihm, sowie allen Mitgliedern seiner Familie, die Unverletzlichkeit und die Achtung versichern, auf welche nach dem Vernunft- und Völkerrechte die Fürsten von ihren Untertanen Anspruch zu machen haben«. Falls dem König oder seiner Familie auch nur ein Haar gekrümmt, ja auch nur die geringste Beleidigung zugefügt werde, werde man »eine beispiellose und für alle Zeiten denkwürdige Rache nehmen und die Stadt Paris einer militärischen Exekution und einem gänzlichen Ruine preisgeben«. Wenn man den Widerstandsgeist der Franzosen hätte anstacheln und den Sturz des Königs hätte erreichen wollen, man hätte es nicht besser anfangen
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