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Auf Forsters Canapé: Liebe in Zeiten der Revolution (German Edition)

Auf Forsters Canapé: Liebe in Zeiten der Revolution (German Edition)

Titel: Auf Forsters Canapé: Liebe in Zeiten der Revolution (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Naumann
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die, so wird behauptet, nicht nur das Schicksal Frankreichs, sondern ganz Europas in der Hand habe. Doch wenn sie viele Feinde haben, so ist die Partei ihrer Freunde weit zahlreicher … Diese Personen erklären, daß sie den Saal der Jakobiner niemals ohne Achtung betreten, weil sie ihn als Wiege und Asyl der französischen Freiheit betrachten. Sie sind überzeugt, daß diese wachsamen, aufmerksamen, eifersüchtigen, lauten Jakobiner ihre besten Wächter sind und daß ohne den weitreichenden Einfluß, den sie überall in Frankreich gewonnen haben, die junge Freiheit schon bei ihrer Geburt von ihren zahlreichen und mächtigen Feinden zermalmt worden wäre.«

    6  Madame Roland. Ölbild von
Johann Ernst Heinsius, 1792.
    Es war eine »dieser Personen«, die Helen zu den Jakobinernmitnahm – »nicht zu den Jakobinern von der Rasse eines Robespierre, sondern zu einer Zeit, als Brissot oder Vergniaud ihre Rednerbühne bestiegen« –, nämlich ihre neue Freundin Madame Roland. »Sie liebte die Heimat mit Leidenschaft, weil Frauen nichts nur halb lieben; ihre Grundsätze waren kompromißlos republikanisch. Sie war einer der ersten Menschen, die ich in Frankreich kennengelernt habe. Ich konnte nicht genug von ihrer fesselnden Unterhaltung bekommen, einer Beredsamkeit, die aus der Tiefe des Herzens kam. Meine Empfindungen sagten ihr zu, und unsere Freundschaft befestigte sich.«
    Madame Roland hatte ihr Leben ganz in den Dienst ihres Mannes gestellt. Er war zwanzig Jahre älter als sie. Zu der Zeit, als er noch seinem Beruf als Inspektor der Fabriken nachging und Abhandlungen über verschiedene Berufszweige veröffentlichte, übersetzte und kompilierte sie für ihn, »ohne vor der Trockenheit der Gegenstände zurückzuschrecken. ›Die Kunst des Torfstechens‹, ›Die Kunst des Wollfabrikanten‹, ›Das Lexikon der Fabriken‹ hatten die schöne Hand der Madame Roland beschäftigt, ihre besten Jahre in Anspruch genommen, ohne andere Ablenkung als die Geburt und das Stillen des einzigen Kindes, das sie gehabt hat.« Als Monsieur Roland dann dank der guten Beziehungen seiner Frau Innenminister wurde, verfaßte sie für ihn Reden, Briefe, Denkschriften, ohne selbst schriftstellerischen Ehrgeiz zu haben. »Wenn sie die Revolution nicht aus ihrer Verborgenheit hervorgeholt hätte, dann hätte sie diese ungenutzten Gaben, ihr Talent, ihre Beredsamkeit ebenso wie ihre Schönheit mit ins Grab genommen.«
    Vor allem diente sie ihm und seinen (ihren gemeinsamen) politischen Zielen als Gastgeberin. Zweimal in der Woche gab sie Essen für Abgeordnete, Minister, Geschäftsfreunde ihres Mannes. In ihrer Wohnung wurden Strategien diskutiert, Allianzen geschmiedet, Entscheidungen getroffen. Sie selbst blieb diskret im Hintergrund und war doch die Seele, ja, wie viele glaubten, der eigentliche Kopf der Girondisten. »Mit ihren ungewöhnlichen geistigen Gaben verband sie die Wärme eines fühlenden Herzens mit dem Reiz der feinsten Manieren. Sie war groß und gut gebaut, strahlte Würde aus, und obwohl sie schon über fünfunddreißig war, war sie immer noch eine gutaussehende Frau. Ihr Gesicht hatte einen Ausdruck von ungewöhnlicher Freundlichkeit, und ihre großen dunklen Augen strahlten Intelligenz aus.«
    So Helen. Madame Rolands Beispiel und Vorbild wird die »berühmteste Engländerin Frankreichs« dazu ermutigt haben, einen eigenen Salon zu eröffnen, den sie dann mit einigen Unterbrechungen jahrzehntelang geführt hat. Jeden Sonntag öffnete sie ihr Haus für Besucher, weniger als zwanzig waren es selten, erinnert sich einer von ihnen. In den Anfängen war ihr Salon so etwas wie eine girondistische Filiale, die Parteifreunde der Rolands gingen auch bei ihr ein und aus. Aber auch noch viele andere, Prominenz aus Kultur und Wissenschaft. Helens Bedürfnis nach Freundschaft und ihr neuer Beruf als Korrespondentin ergänzten sich auf ideale Weise. Wie Madame Roland überließ sie die Bühne den Gästen, hörte zu und wahrte Diskretion. Sie waren ihre Quellen, deren Schutz ihr heilig war. Wenn sie sie zitierte, dann in der Regel, ohne Namen zu nennen: Ein Geistlicher, einFreund, ein junger Mann, eine Dame sagte mir neulich … Manches hat sie erst Jahrzehnte später verraten, zum Beispiel, daß sie durch Madame Roland in den Jakobinerklub kam. Viele Geheimnisse hat sie mit ins Grab genommen.
    Ihre Gäste werden in den ersten Monaten des Jahres 1792 immer wieder die Frage diskutiert haben, die seit dem preußisch-österreichischen

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