Auf Forsters Canapé: Liebe in Zeiten der Revolution (German Edition)
können.
7 Die Tuilerien.
Die Verschwörer um Danton nutzten die Gunst der Stunde. Sie holten Truppen aus Marseille und der Bretagne nach Paris und gaben den Befehl zum Losschlagen. In der Nacht zum 10. August wurden die Einwohner gegen 2 Uhr durch das Läuten der Sturmglocke geweckt.
Früh am Morgen ließ sich der König überreden, mit seiner Familie die Tuilerien zu verlassen und Asyl bei der Nationalversammlung zu suchen. »Die Blätter fallen dieses Jahr früh«, sagte er unterwegs. Man wies ihnen als vorläufige Unterkunft den kleinen, vergitterten Raum zu, in dem gewöhnlich die »Logographen« saßen, um die Debatten zu protokollieren.
Bei den Angreifern verbreitet sich das Gerücht, daß die Besatzung des Schlosses kapituliert habe. Als sie von einem Kugelhagel empfangen werden, glauben sie, in eine Falle geraten zu sein, und setzen wütend zum Gegenangriff an. Um weiteres Blutvergießen zu verhindern, läßt der König seiner persönlichen Leibwache, der Schweizergarde, den Befehl geben, die Waffen niederzulegen und abzuziehen. Daß sie dem Befehl gehorchen, bringt Hunderten von ihnen den Tod, und mit ihnen vielen anderen. Wo immer man einen Mann in rotem Uniformrock sieht, wird er gejagt und zur Strecke gebracht. Konrad Engelbert Oelsner wird Zeuge entsetzlicher Szenen.
»Achtzig Mann, unter denen, wie sich nachher gezeigt, die meisten keine Schweizer waren, hatten nach einem hartnäckigen Kampfe die Waffen niedergeworfen. Vor das Stadthaus geführt, stehen sie der Entscheidung ihres Verhängnisses harrend. Derjenige Teil der Nationalgarde, dessen Äußeres durch Erziehung veredelte Menschlichkeit verspricht, wacht um sie. Schon sind sie der versprochenen Gnade gewiß, ein Kommissar der Munizipalität verkündet den Befehl, sie in die Abtei zu führen. Aber das war es nicht, was die wütende Menge erwartete, was die ergrimmte, blutdürstige Brut des Pöbels wollte. Nein! Nein! Keine Gnade! brüllt es über den ganzen Grève-Platz; ein Todesurteil! Verräter müssen sterben! Schießt sie nieder! rasen die Weiber, in schäumende Furien verwandelt, oder Ihr seid des nämlichen Verbrechens schuldig; Sie haben unsere Brüder, sie haben meinen Gemahl, meinen Sohn gemordet. Wir begehren Rache, gebt Ihr sie uns nicht, so nehmen wir sie selbst an ihnen und Euch! – Um Erbarmung schreien die Unglücklichen; sie stürzen, sie winden sich mit dem Ausdrucke der zerknirschendsten Verzweiflung um die Füße ihrer Überwinder. Die Nationalgarde kämpft für das Mitleid, gegen ihre eigene Gefahr; sie bittet, sie fleht – umsonst, schon wird sie des Verständnisses beschuldigt, die Piken dringen auf sie ein; sie läuft Gefahr, Opfer ihrer Menschlichkeit zu werden; und da sie ihr eigenes Heil nur in der Zerstörung der Verurteilten sieht, drückt sie, mit abgewandtem Gesichte, ihre Mordgewehre los. Alles wird unbarmherzig niedergemacht. Mein blutendes Herz erlaubt mir nicht, die scheußliche Szene auszumalen. – Das Jauchzen der Weiber bedeckt die Wehklagen der Todesangst; sie schlürfen, die Weiber schlürfen mit brutaler Wollust das Stöhnen der Sterbenden ein, und des HöllenpfuhlsTrunkenheit höhnt aus ihrem Munde die letzten Zuckungen der Agonie. Muß ich es zur Schande des weiblichen Geschlechtes sagen! Die Weiber sind es, welche in allen stürmischen Auftritten der Revolution immer zuerst Entsetzlichkeiten ersannen, oder die Männer zu frischen Qualen und Mordtaten aufmunterten. [. . .]
Nachdem die blutigen Expeditionen vorüber waren, wurde noch an dem nämlichen Tage Hand an die Statuen der Könige gelegt, an die Bildnisse, an die Aufschriften, welche ihren Charakter trugen. Unterdessen saß die königliche Familie kümmerlich in die Loge des Logographen zusammengepreßt, ohne zu wissen, wohin sie ihr Haupt legen würde. Als ich um zehn Uhr aus der Versammlung noch einmal bei den Leichnamen, den Flammen vorübergehen mußte, die den Himmel röteten, rief ich: kurzsichtige Politik! Das Manifest des Herzogs, welches Ludwig XVI . zum Gebieter machen sollte, hat ihn zum Gefangenen gemacht.«
Erst Jahrzehnte später hat Helen Maria Williams in ihren Souvenirs offenbart, wie nahe sie dem Hauptschauplatz der Ereignisse damals gewesen ist.
»Ich logierte damals in einem hôtel [ 19 ] in der Rue de Lille; von den Fenstern in den oberen Stockwerken hatte man Aussicht auf die Tuilerien, und wir konnten von weitem die Schlacht sehen. Wiederholt wurde das Volk zurückgeschlagen, und wir sahen, wie die Menge,
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