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Auf Forsters Canapé: Liebe in Zeiten der Revolution (German Edition)

Auf Forsters Canapé: Liebe in Zeiten der Revolution (German Edition)

Titel: Auf Forsters Canapé: Liebe in Zeiten der Revolution (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Naumann
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Erstaunen setzen wollte, aber jede seiner Äußerungen war eine Sentenz, jede seiner Antworten ein Geistesblitz;niemals war er so brillant gewesen, und wenn er Monsieur und Madame Bitaubé verwirrte, so entzückte er Miss Williams. Ich erinnere mich daran, daß er anläßlich einer Bemerkung von Miss Williams aus dem Stegreif ein Gedicht aus diesem Gedanken formte, das er mit den Versen schloß:
 
    Troupes guerrières,
    Sur vos drapeaux
    Placez ces mots:
    Paix aux chaumières,
    Guerre aux châteaux. [ 20 ]
     
    Aber das, was mich am meisten frappierte, waren die extremen politischen Ansichten von Mademoiselle Williams, die sich für unsere Revolution begeisterte und sogar für ihre Exzesse, die sie in meinen Augen verurteilten.
    Daß Chamfort bestrebt war, alles, was dieses Fräulein sagte, zu überbieten; daß er sich eines ihrer Gedanken bediente, um daraus ein hübsches Couplet zu machen (er war noch jung, sie war hübsch, er war Dichter und Franzose), all das wäre für mich kein Grund zur Empörung gewesen, weit entfernt davon; aber daß Monsieur und Madame Bitaubé, die die sechzig überschritten hatten, die die besten Menschen der Welt waren, die sich ausgezeichnet hatten, er durch seine Verdienste, sie durch den einfallreichsten, subtilsten, sanftesten Geist, sich revolutionärer als ihre beiden Gäste zeigten und daß sie zum Beispiel die Apologeten des 10. August wurden, das verwirrte mich! Das ist übrigens nicht das einzige Beispiel, das ich für diese Art von Verirrungen anführen kann! Und wie oft habe ich es erlebt, daß durch Güte ausgezeichnete Wesen aus Tugend zu allen Verbrechen fähig waren und kraft der Philantropie nicht einen Funken Humanität bewahrt haben! Es scheint, als ob sich in diesen entsetzlichen Krisen die Atmosphäre geändert hätte, als ob die Luft, die dieMenschen einatmeten, sie vergiftete, um sie gleichsam mit dem Schrecken vertraut zu machen.«

September
    Ja, wird schon werden, wird schon werden!
    Die Aristokraten an die Laterne!
    Ja, wird schon werden, wird schon werden!
    Die Aristokraten werden gehängt!
    Der Despotismus wird seinen letzten Atemzug tun,
    Die Freiheit wird triumphieren,
    Ja, wird schon werden, wird schon werden.
    Wir haben weder Adelige noch Priester,
    Ja, wird schon werden, wird schon werden!
    Überall wird die Gleichheit herrschen.
    Der österreichische Sklave wird der nächste sein,
    Er wird zum Teufel gehen,
    Ja, wird schon werden, wird schon werden!
    Er wird zum Teufel gehen.
     
    Das Ça ira! klang jetzt blutrünstig. Am 23. August fiel die Festung Longwy durch Kapitulation an die Preußen, am 2. September wurde Verdun eingenommen. »Die Erregung steigert sich ins Unermeßliche.« Patriotismus und Paranoia verbinden sich zu einer explosiven Mischung. Strenge Hausdurchsuchungen werden befohlen. Wer Paris verlassen will, muß einen Paß besitzen. Man wittert überall Verräter. Die jakobinische Presse hetzt gegen Royalisten, Konterrevolutionäre und Verschwörer. Die Gefängnisse füllen sich. Gerüchte laufen um, daß der Feind plane, sie zu öffnen und mit den Gefangenen gemeinsame Sache zu machen.
    »Am 2. September, gegen zwei Uhr nachmittags, erschreckte uns der Lärm der Sturmglocke, und ich wußte, daß dieses gräßliche Geräusch immer Unglück ankündigte; aber dieses Mal hätte die düsterste Phantasie sich nicht vorstellen können, welcheSchrecken bevorstanden.« Ein bewaffneter Mob stürmte die Gefängnisse, Standgerichte machten mit den wehrlosen Gefangenen kurzen Prozeß. Alles mit Billigung und Unterstützung der neuen Machthaber. »Die Nationalgarde ist unaufgefordert geblieben, und der Justizminister Danton, einverstanden mit Robespierre und Marat, hat sich ein oder zwei Tage vor dem blutigen zweiten September die Liste der Gefangenen geben lassen. Diese war in der Totschläger Händen; nach dieser sind die Urteile gesprochen worden.« Auf den Straßen waren besoffene Mörderbanden unterwegs, dürstend »nach neuem Trunke, denn Wein und Blut haben das miteinander gemein, daß man, je mehr man deren vergießt, desto mehr vergießen will. Die Brücken lagen voll Kadaver, und die scheußlichste Neugier des Pöbels besichtigte sie.«
    Helen Maria Williams an Hester Lynch Piozzi, am 4. September 1792:
    »Liebe verehrte Freundin,
    Ich kenne Ihre Zuneigung und Ihre Zärtlichkeit für mich zu gut, um nicht sicher zu sein, daß Sie wegen der Ereignisse, die in Paris seit meiner Ankunft vorgefallen sind, nicht ohne Besorgnis für mich sind. Wenn

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