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Auf Forsters Canapé: Liebe in Zeiten der Revolution (German Edition)

Auf Forsters Canapé: Liebe in Zeiten der Revolution (German Edition)

Titel: Auf Forsters Canapé: Liebe in Zeiten der Revolution (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Naumann
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Deswegen, weil Herr S. (wie er ihn nur nennt) sie mit seinen erratischen und riskanten Entschlüssen in Lebensgefahr brachte? Oder auch, weil er eifersüchtig auf ihn war? »Er ist joli cœur bei den Damen und macht artige Bemerkungen mit einer Leichtigkeit, die an französische grenzt«, hat Georg Forster bemerkt. Eine Probe davon findet sich gleich zu Beginn von Oelsners Reiseerzählung.
    »Paris ist nur noch den Liebhabern des Schröcklichen interessant; es mußte mir daher willkommen sein, Miss Williams, welche durch ihren Geist, und Mistress … welche durch ihre Naivität bezaubert, und mit denen die letzten Grazien auszuwandern eilten, in die romantischen Gegenden von Tours zu begleiten, wo sie den Rest der schönen Jahreszeit unerreicht zu genießen hoffen von den erschütternden Auftritten, deren Erneuerung bis zur vollkommenen Wirksamkeit des Nationalkonvents nur gar zu wahrscheinlich bleibt. Was sich am Morgen unsrer Abreise begab, schien ihren Entschluß zu rechtfertigen. Eine Bande Halunken mit Gewicht und Waage, mit Munizipalschärpen versehn, um ihren Beutelschneidereien einen obrigkeitlichen Anstrich zu geben, verbreiteten sich über die Marktplätze und rissen unter dem Vorwande, ein patriotisches Geschenk zu sammeln, den Vorübergehenden Ohrgehänge, silberne Schnallen u. d. gl. mehr ab. Das Volk, des Unfugs bald müde, knüpfte gerechtigkeitshalber fünfe dieser vorgeblichen Munizipale auf.«
    Anstatt den direkten Weg nach Tours zu nehmen, hat der voranreitende englische Herr, also Stone, »der bei seinen wetterwendischen Entschlüssen Niemand, selbst die Damen nicht, nach englischer Landjunker Weise zu Rate zieht«, dem Postillion den Befehl gegeben, erst einmal nach Versailles zu fahren – keine gute Idee, wie sich schnell zeigt. Gleich am Ortseingang geraten sie zwischen exerzierende Bataillone, von rechts und links knallen ihnen Kanonenschüsse um die Ohren, und weil auf ihrer Kutsche noch ein schlecht verwischtes Wappen zu erkennen ist, hören sie ab und zu den Ruf à l'aristocrate.
    Ganz daneben fand Oelsner auch Stones Idee, die Reisegesellschaft ausgerechnet im Hôtel des Petites Ecuries einzuquartieren, nur ein paar Schritte von dem Ort entfernt, »wo die Staatsgefangenen waren niedergemetzelt worden. Wir begegneten folglich Niemand, der uns nicht auf die Szene der abscheulichen Geschichte aufmerksam machte. Siebzig Parisischer Kopfsäbler hatten in dem nämlichen Gasthof gespeiset, und nach vollendeter Expedition aufs artigste ihre Zeche bezahlt. Sobald sie von der Ankunft der Gefangenen hören, lassen sie ihre Mahlzeit im Stiche, springen über die Wägen her, und in Zeit von fünf bis sechs Minuten ist alles in Stücken gehauen, sieht man nichts als verstümmelte Rümpfe in der Straße zucken, und die Kinder mit den Köpfen spielen. Die Schamteile der Ermordeten sind von den Weibern zur Schau getragen worden.« Und damit noch längst nicht genug. »Es war nicht möglich, unter so vielen empörenden Erinnerungen zu rasten, wir fuhren den nämlichen Abend nach Paris zurück.«
    An einem der nächsten Tage nehmen sie einen zweiten Anlauf.
    Am 16. September um vier Uhr nachmittags fahren sie in Orléans ein, wo sie von einem »tumultuarischen Prospekt« begrüßt werden. Die Pariser Gewaltorgien haben sich wie eine Epidemie über das Land verbreitet. Acht oder neun Stadtresidenzen sind ausgeraubt und niedergebrannt worden. Die zerschmetterten Möbel haben die Plünderer zu einem Scheiterhaufen geschichtet und angezündet. Oelsner und Herr S. durchlaufen bis elf Uhr nachts die »Szenen der Abscheu«. »Es läßt sich kein wilderes Gemälde denken; ich glaubte mich auf die Küste von Neuseeland versetzt. Um die Flammen, welche der Wind ungestüm durcheinander blies, wurde unter Gesang und Flaschengeklirr getanzt, während vier Unglückliche, über Diebstahl ertappt, im Feuer umkamen. Man hatte die Mordlust gehabt, einen zwölfjährigen Knaben hineinzuwerfen, der sich hatte gelüsten lassen, ein halbes Dutzend Lichter zu stehlen. Den folgenden Tag endlich aber, nachdem ein Dutzend Häuser zu Grunde gegangen, und die Sicherheit aller bedroht gewesen war, stand die Bürgerschaft aus ihrer Betäubung auf, und formierte einen Bund gegen fernere Ausschweifungen.
    Das nämliche Gemälde was ich hier skizziere sehen Sie von einem Ende Frankreichs zum andern. Ich kenne kein Land, wo die moralischen Bewegungen epidemischer wären, als hier, und sobald in Paris das Losungszeichen gegeben war, ließ

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