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Auf Forsters Canapé: Liebe in Zeiten der Revolution (German Edition)

Auf Forsters Canapé: Liebe in Zeiten der Revolution (German Edition)

Titel: Auf Forsters Canapé: Liebe in Zeiten der Revolution (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Naumann
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wiederzusehen, aber daran ist nun nicht mehr zu denken, wie ich fürchte. – Ich habe heute Mr. Jarvis gesehen – ich habe ihn zufällig getroffen. Seine Mitteilung, daß er morgen nach Le Havre und wahrscheinlich von dort nach Hamburg gehen würde, ist der Anlaß für diesen Brief, weil ich keine Gelegenheit vorübergehen lassen will, Ihnen zu schreiben. Ich glaube manchmal, daß das der einzige Umgang ist, den ich mit Ihnen noch haben werde, und da ich sehe, daß dies das Ende der meisten Freundschaften im Leben ist, stelle ich mir vor, daß ich keine mehr schließen werde – aber was hat das Leben ohne sie noch für Freuden? Für mich hätte es zu wenig Reiz, um es lange ertragen zu können – Ich glaube, ich wäre wie Sterne [ 32 ] , wenn ich keinen anderen Gegenstand meiner Zuneigung hätte, würde ich einen Lieblingsbaum oder sonst etwas finden, was ich bewundern und verehren, wenn schon nicht beleben könnte. Aber das höchste Glück, das es meiner Ansicht nach gibt (ich meine eheliches Glück), werde ich vermutlich nie erleben dürfen, und vielleicht ist es besser für mich, daß ich diese Seligkeit entbehren muß, jedenfalls versuche ich, mir das einzureden – ich werde wirklich jeden Tag philosophischer, und vielleicht wird sich ja das, was ich bisher für mein größtes Unglück hielt, als mein größtes Gut erweisen –
    Es ist wieder eine Gruppe verurteilt und hingerichtet worden. Danton – Lacroix – Hérault de Séchelles – Desmoulins. Diese und elf andere – Ich sah sie vorbeikommen. Ich war in einer Kutsche auf dem Weg zur Rue St. Honoré, aber der Kutscher konnte unmöglich den Pont Neuf passieren – ich frage mich, warum Verbrecher nicht auf eine weniger öffentliche Weise hingerichtet werden können – zweifellos ist es beleidigend für die Menschlichkeit, daß man den Massen erlaubt, den Verurteilten in ihren letzten Augenblicken zu folgen und sie manchmal zu beleidigen – für mich wäre das schlimmer als der Tod selbst.
    Ob es für mich die Möglichkeit geben wird, zu Ihnen nach Hamburg zu gehen? Werde ich Sie je in meinem Heimatland treffen können? Machen Sie mir bezüglich des einen oder anderen Hoffnungen, wenn Sie können – aber erwecken Sie keine falschen – wie gern würde ich mit Ihnen in Amerika zusammenleben – ich glaube, dieses Land würde mir gefallen und meinen Vorstellungen genau entsprechen. Wenn sich meine Angelegenheiten so regeln lassen, wie ich hoffe, werde ich Sie sicher dort sehen, wenn schon nicht anderswo. Ich bedaure, daß Mr. Barlow es vor seiner Abreise nicht geschafft hat, Mr. Stone dazu zu bewegen, mit mir einen Hausstand zu gründen – ich fürchte, nun werde ich mit ihm große Schwierigkeiten haben, aber was mich betrifft, nehme ich es, wie es kommt – wenn es mein Schicksal wäre, unverheiratet zu bleiben, würde ich ihm gegenüber darüber kein Wort verlieren – meine eigenen Bedürfnisse sind bescheiden.
    Wie ich Ihnen erzählt habe, hat Mr. Ln schon den Versuch gemacht, mit Mr. Stone zu sprechen – der auf seine übliche Weise ausweichend geantwortet hat und sich nicht festlegen wollte –, aber wenn die öffentlichen Angelegenheiten sich beruhigt haben, sollten auch meine privaten nicht unentschieden bleiben.
    Mit aufrichtiger Hochachtung für Mr. Barlow und Sie werde ich immer bleiben
    Ihre Sie sehr liebende Freundin M .  S .«
    M .  S . – das steht für Maria Stone.

Turned to Stone
    Am 27. Germinal (16. April) dekretierte der Wohlfahrtsausschuß, daß alle ehemaligen Aristokraten (gab es überhaupt noch welche?) und alle Ausländer Paris binnen zehn Tagen zu verlassen hatten. Wer danach noch in der Stadt angetroffen wurde, galt als Geächteter und konnte ohne Prozeß hingerichtet werden. Helen, ihre Mutter und Persis – Cecilia war durch ihre Heirat französische Staatbürgerin geworden – wählten als Aufenthaltsort ein kleines Dorf bei Marly, einem ehemaligen Landsitz der Könige. »Nachdem wir einen Zufluchtsort gewählt hatten, mußten wir uns vor dem Revolutionskomitee der entsprechenden Sektion einfinden, wo uns kein Paß, sondern ein Passierschein ausgestellt wurde, auf dem stand, daß wir Paris gemäß dem Gesetz vom 27. Germinal verließen. So waren wir dazu verurteilt, uns mit diesem Passierschein, der das Kainszeichen auf unserer Stirne war, aufs Land zu begeben und ihn der Gemeindeverwaltung unseres Zielortes vorzulegen; und wir waren auch dazu verurteilt, uns alle 24 Stunden dort einzufinden

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