Auf Forsters Canapé: Liebe in Zeiten der Revolution (German Edition)
öffentlichen Auftritt eine gute Figur zu machen. »Auf dem Weg zum Schafott war sie nicht nur gefaßt, sondern gab sich sogar heiter, um eine Person zu ermutigen, die um die gleiche Zeit sterben sollte, aber nicht mit der gleichenStärke wie sie selbst ausgerüstet war.« Als ihr Mann von ihrer Hinrichtung erfuhr, nahm er sich das Leben.
Am 5. Dezember wurde Helens zeitweiliger Schützling Rabaut Saint-Étienne guillotiniert. Er hatte sich zusammen mit seinem Bruder im Haus eines Freundes ein Versteck gebaut. Mit eigener Hand hatten sie eine Wand in ein Zimmer eingezogen und die Tür durch ein Bücherregal verbergen lassen. Der Schreiner verriet sie.
Troubled Waves
Um im Palais du Luxembourg Platz für neue Gefangene zu schaffen, verlegte man die Engländerinnen in das (aufgelassene) Kloster Les Anglaises . Da die Räume, in denen sie untergebracht werden sollten, kahl und unmöbliert waren, hatten sie selbst für ihr Matratzenlager zu sorgen. Ein Polizeiinspektor brachte die Williams-Frauen deshalb zu ihrer versiegelten Wohnung. Was er dort tat oder vielmehr unterließ, hat ihr möglicherweise das Leben gerettet, wie Helen in ihren Souvenirs berichtet.
»Dieser Inspektor duzte uns, wie es die Regel war; aber er bot uns an, die Wache fortzuschicken, und sagte uns, daß wir uns nicht zu beeilen bräuchten und er gern ein paar Stunden warten würde, bis wir fertig wären. Ich verstand sofort, was dieser Vorschlag bedeutete. Der Inspektor legte sich zum Schlafen auf ein Sofa, und während dieser Zeit verbrannte ich im Nachbarzimmer so schnell wie möglich stapelweise Papiere, deren Entdeckung für uns unheilvoll gewesen wäre; die Billette von Madame Roland, die Briefe von Lasource und anderen correspondants conspirateurs. Der Inspektor war so großzügig und taktvoll, daß er erst aufwachte, als ich damit fertig war.«
Auch Manuskripte, die Madame de Genlis ihr anvertraut hatte, sind damals in Flammen aufgegangen.
Das Leben bei den Anglaises war härter und karger als im Luxembourg. Die Tage zählte Helen nun nach dem neuen Kalender, der ihrem bedrückten Herzen »inmitten der blutrünstigen Maßnahmen dieser Zeit so erschien wie dem Auge ein einzelner Flecken frischen Grüns« zwischen Felsen oder in der Wüste. Ab und zu durften sie durch ein Sprechgitter mit Freunden reden. Stone war inzwischen wieder frei. Seine Frau Rachel allerdings blieb weiter inhaftiert. Um die langen Tage im Gefängnis auszufüllen, begann Helen an einer Übersetzung von Bernardin de Saint-Pierres Paul et Virginie zu arbeiten, in die sie eigene Gedichte einfügte.
Ein Akt der Besitzergreifung, der an eine feindliche Übernahme erinnert. Die heitere, bunte, üppige Tropennatur, die Saint-Pierre schildert, läßt die Dichterin unberührt. Limette, Kakaopflanze, Guave? Wieviel schöner ist die duftende Erdbeerblüte, die sie als Kind entzückte! Orangenlauben und Myrtentäler? Nicht für sie. Ihre Seelenlandschaft ist ein öder Meeresstrand, ihr Seelenverwandter ein Brachvogel, dessen graues Gefieder im Sturm flattert. Sein Klagen mischt sich mit dem Tosen der rastlos anbrandenden Wellen –
»Dieses trostlose Herz, Sorgen zerreißen es!
Verstört und wild ist es, wie die aufgewühlte Brust des Ozeans
in den rauhen, nächtlichen Stürmen.« [ 30 ]
Ende 1793. »Auch die Revolution trat in den Winter ein, in den Tod der Illusionen.« Helen schrieb darüber ein Gedicht.
»Bleiche Enttäuschung! Bei deinem frostigen Namen
Empfinde ich kalte Furcht in jeder zitternden Ader:
Mein ermattender Puls vergißt fast zu schlagen,
Und fast flieht das Leben meinen schwachen Körper.
Doch ich mache dir keine Vorwürfe mehr, erbarmungslose Nymphe!
Warum verlieren sich meine Gedanken in törichten Illusionen?
Warum vergolde ich die Reize der Freundschaft und der Liebe
Mit der warmen Glut der purpurfarbenen Flamme der Phantasie? (…)
Ach, ich fühle es leider, es ist allein meine Schuld
Und mein ist auch die grausame Strafe.« [ 31 ]
Fallbeil
Als Cecilias Verlobter Athanase Coquerel in Rouen von der Verhaftung der Williams-Frauen erfuhr, reiste er sofort nach Paris. Jeden Abend wurde er bei der Stadtverwaltung vorstellig, jeden Morgen fand er sich bei der Polizeibehörde ein, und dazwischen lief er von Pontius zu Pilatus, um ihre Freilassung zu erreichen. »Schließlich gelang es ihm als einem wahren Ritter alle Hindernisse zu besiegen und seine Liebste der Gefangenschaft zu entreißen, nachdem er unzählige Male in Gefahr
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