Auf Forsters Canapé: Liebe in Zeiten der Revolution (German Edition)
die Thereses ältere Schwester hätte sein können. Die fühlte sich von ihr und der wachsenden Zahl von Halbgeschwistern (»wie Sand am Meer«) an den Rand gedrängt und sah mit Eifersucht, daß die Stiefmutter auch bei den Studenten sehr beliebt war, die ins Heynesche Haus kamen. »Ihn selbst [Professor Heyne] konnte man nur auf Augenblicke genießen« (erzählt einer von ihnen, Peter Poel), »aber mehrere Mitglieder der Familie zogen solche mächtig an, welche Sinn für weibliche Liebenswürdigkeit und Bildung hatten. Wenige mir bekannt gewordene deutsche Frauen besaßen so viel Verstand und Kenntnisse als die Hofrätin Heyne. Minder gründlich und folgerecht entwickelte die älteste ihrer beiden Stieftöchter, Therese, in der Unterhaltung einen lebendigeren, mehr von der Phantasie und durch sinnliche Eindrücke aufgeregten, als von tief im Herzen wurzelnden Empfindungen beherrschten Geist; ihre Gedanken und Einfälle jagten einander mit einer solchen Schnelligkeit, daß die Worte sie kaum einholen konnten und der Atem ihr oft ausging; dann konnte man sich das Vergnügen machen, sie durch vorsätzliche Mißverständnisse zu den lustigsten Ausbrüchen der Ungeduld zu bringen. Sie wurde bald nach meiner Abreise des unglücklichen Georg Forsters Braut.«
* * *
Im Dezember 1783 hatte Forster, inzwischen von seiner Schwärmerei für die Rosenkreuzer geheilt, einen Ruf nach Polen an die Universität in Wilna (Vilnius) angenommen. Während seines Abschiedsbesuchs bei Heynes verlobte er sich mit Therese, oder vielmehr sie verlobte sich mit ihm. Ihren Antrag in Form einer Liebeserklärung hat er wohl eher mit gemischten Gefühlen angenommen. Zwar fand er eine Einheirat in die Familie Heyne sehr verlockend, nicht zuletzt deshalb, weil er in Christian Gottlob Heyne einen Freund und Ratgeber gefunden hatte, der so ganz anders war als sein eigener Vater. Aber er hatte eben auch erfahren, welch eine Last eine Familie sein konnte, eine Quelle von Unfrieden, Sorgen und Existenzängsten.
Obwohl er also die Nachteile des kettenden und drückenden Ehestandes fürchtete, wußte er, daß er heiraten mußte. »Einmalhabe ich nach meinen Grundsätzen mir den Umgang mit Frauenzimmer außer der Ehe nie erlauben wollen und können, und doch fühle ich, daß zu meiner Ruhe, zur Besänftigung meiner Einbildungskraft und meines Bluts ein Weib ein notwendiges Übel ist. Ich kenne mein Temperament; hätte ich ein gutes Weib, ich suchte nichts mehr in der Welt.«
Seine Traumfrau? Jung, unschuldig, gesund und reich hatte er sie sich gewünscht. Schön brauche sie nicht sein, nicht geistreich, nicht überklug – »nur etwas Fähigkeit zu begreifen«. Aber was wir uns wünschen, ist oft nicht das, was wir wirklich wollen. Was Forster wollte, war eine unterhaltsame Frau wie die Insulanerin, die ihm auf seiner Weltreise so gut gefallen hatte. Eine Frau, die noch beim Tanzen weiterredete. Eine Frau wie Therese.
Was hat sie dazu gebracht, die Jungmädchenschwärmerei zu Forster neu zu beleben und ihn für sich gewinnen zu wollen? Daß Caroline Michaelis vor ihr heiratete, den Arzt Wilhelm Böhmer, »machte ihr keine Freude«, wie Luise Mejer trocken feststellte. Sie wollte unbedingt weg von zu Hause, weg von der allzu liebenswürdigen Stiefmutter, die dauernd schwanger war. Schon wieder ein Kind, für dessen Unterhalt der arme Vater sorgen mußte! »Ich hatte die sonderbare Idee heiraten zu müssen um Ihnen eine Last abzunehmen, und da ich in der unglücklichen Stimmung war, es gäb' kein Glück, so war mirs beinahe einerlei auf welche Art ich unglücklich war«, schrieb sie ihm einige Jahre später. Sie phantasierte sich in die Rolle der tapferen, heiteren Gefährtin hinein, die ihren Mann in die polnische Wildnis begleitete. Sie wollte einen berühmten Mann haben. Sie wollte ein großes Leben.
»Meine erste Heirat ward mit unerhörter Unvorsichtigkeit geschlossen. Ich liebte nicht, hatte mir nie zu lieben erlaubt, war 19 Jahre alt, war sehr bewundert worden, fühlte die Notwendigkeit, daß ein bewundertes Mädchen bald Frau werden mußte, war so rein sittlich, so jungfräulich an Seele und Gewissen wie wenig Mädchen sein mögen, kannte aber das elende Urteilen meines Geschlechtes, und wünschte unabhängig zu werden durchdie Unterwerfung in den Willen eines Mannes. Von mehreren wählte ich Forster. So weit handelte meine Vernunft mit drolliger Kälte, aber der Mensch n'est pas fait d'une piéce il est repandu de mille briques [ 36 ] –
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