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Auf Forsters Canapé: Liebe in Zeiten der Revolution (German Edition)

Auf Forsters Canapé: Liebe in Zeiten der Revolution (German Edition)

Titel: Auf Forsters Canapé: Liebe in Zeiten der Revolution (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Naumann
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ranghöchsten geistlichen Fürstentum in deutschen Landen. Der Erzbischof, seit dem 13. Jahrhundert einer der (zunächst) sieben Kurfürsten, war als Primas Germaniae Stellvertreter des Papstes in Deutschland. 1789 heißt er Friedrich Karl Joseph Freiherr von Erthal. Ein jovialer, lebenslustiger alter Herr mit ziemlich laxer Moral, der auf großem Fuße lebt und sein Land »gelinder« regiert, als es dem stockkonservativen Domkapitel lieb ist.
    Das hatte ihn 1774 als Nachfolger des liberalen Emmerich Joseph von Breidbach gewählt, in der Erwartung, daß mit ihm das Ende der Aufklärung in Mainz gekommen sei. In seinen ersten Regierungsjahren versuchte Erthal auch wirklich, die Uhren zurückzudrehen, dann aber setzte er, wenn auch halbherzig, die gemäßigte Reformpolitik Breidbachs fort. Besonders am Herzen lag ihm die Förderung der darniederliegenden Universität. Im Zuge dessen waren etliche evangelische Gelehrte aus dem nördlichen Deutschland nach Mainz berufen worden, unter ihnen auch Forsters bester Freund, der Mediziner Thomas Samuel Sömmering.
    Als die Stelle des Universitätsbibliothekars vakant wurde, hatteErthal deshalb keine Probleme damit gehabt, sie mit einem bekennenden Aufklärer zu besetzen. Beim Vorstellungsgespräch, bei dem ihm Forster von den Religionsbegriffen der Otaheiter erzählte, fing er zu dessen Erstaunen sogar an, selbst etwas zu »freigeistern«. Forsters Ruhm als Weltreisender, der ihm auch schon zu seinen früheren Anstellungen verholfen hatte, war wieder seine beste Empfehlung gewesen. Zumal der kleine Sohn von Frau von Coudenhove, der einflußreichen Freundin Erthals, Cooks Reisen gelesen hatte und sich sehr darauf freute, von Forster »noch vieles von dem neuen Weltteil« zu erfahren.
    Auch Forster findet nichts dabei, in den Dienst eines geistlichen Fürsten zu treten, dessen Existenz und Konfession er prinzipiell mißbilligt. Ubi bene ibi patria! Das Leben hatte ihn gelehrt, daß ein bürgerlicher Intellektueller sich seine Arbeitgeber nicht malen konnte. Hauptsache, die Stelle wurde gut bezahlt und ließ ihm Muße zu eigener Arbeit, und beides war in Mainz der Fall.
    Die Gegend ist schön, das Klima angenehm. Forster lebt mit seiner Familie in einer großen Wohnung in einem »Professorenhaus« in der Neuen Universitätsstraße. Seine Frau Therese, die er abgöttisch liebt, ist interessant und einnehmend, ihr dreijähriges Töchterchen Röschen (Therese) macht ihnen Freude, ein zweites Kind ist unterwegs. Über Mangel an Gesellschaft müssen sie nicht klagen, jeden Abend gegen sieben Uhr kommen Freunde und Bekannte zum Tee. Zum engsten Zirkel gehören der Arzt Georg Wedekind, der wie Therese aus Göttingen stammt, Sömmering, der gleich nebenan wohnt, und Ludwig Ferdinand Huber, ein junger Diplomat mit schriftstellerischen Ambitionen, der sich eng an sie angeschlossen hat. Und sie haben viel Besuch von Durchreisenden, die die Bekanntschaft mit Forster suchen oder erneuern wollen. Von außen betrachtet scheint seine Lage beneidenswert. Tatsächlich ist er unzufrieden, wie fast immer und überall.
    Die strapaziöse Weltreise hat seine Gesundheit ruiniert, er leidet an Rheuma, ist äußerst anfällig für Infekte und hat häufig Magenbeschwerden. Als Folge einer schweren Skorbuterkrankung sind seine Zähne in einem katastrophalen Zustand.
    Er fühlt sich zuwenig gewürdigt. Mainz ist keine Gelehrtenstadt wie Göttingen. Geist gilt nicht viel oder ist sogar unerwünscht; der stockkonservative Klerus hat für Protestanten und Aufklärer nicht viel übrig, und das bekommt Forster auch zu spüren.
    Seine Geldsorgen sind chronisch. Dem väterlichen Beispiel folgend, ist er schon früh auf den »traurigen Irrtum« geraten, »seinen Wohlstand auf die Größe seiner Einnahmen, nicht auf die Beschränkung seiner Ausgaben gründen zu wollen«, was ihn zu ständiger Produktivität zwingt und an den Schreibtisch schmiedet, ebenden, der ihn schon auf die Reise mit Captain Cook begleitet hatte. Im Juli 1789 war Forster so erschöpft gewesen, daß er mit der Familie zu einem Erholungsurlaub nach Eltville ins Rheingau gereist war, was auch wieder Geld kostete.
    Er übersetzt viel aus dem Englischen, was ihm leicht von der Hand geht. Eigenständige literarische Arbeiten aber kosten ihn viel Zeit und Mühe und bringen wenig ein. »Meine Schreibart, die einigen denkenden Männern behagt, ist nicht populär«, klagt er. So schmeichelhaft es ist, von einem Lichtenberg gelobt zu werden, ein

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