Auf Forsters Canapé: Liebe in Zeiten der Revolution (German Edition)
Bestsellererfolg wäre ihm lieber. Er ist eifersüchtig auf Kollegen – »diese Schmierer!« –, die mit flachen, gedankenarmen Büchern bekannt und wohlhabend werden. Er hat aber auch etwas gegen die akademischen Schriftsteller, die Professoren, die Stubengelehrten. Und viele von ihnen haben etwas gegen jemanden wie ihn, der eine Menge weiß, sich für fast alles interessiert, aber nichts gründlich studiert hat und den Gestus wissenschaftlicher Objektivität weder beherrscht noch beherrschen will.
Forster sitzt zwischen den Stühlen. Erziehung und Werdegang haben ihn für einen normalen bürgerlichen Beruf verdorben. Der Ruhm als Weltreisender hat zwar wenig für sein unterentwickeltes Selbstbewußtsein getan, dafür aber viel für seine Ansprüche. Egal was für eine Stelle er bekleidet, sie muß ihm zu gering, zu unbedeutend sein. Kann sich ein Mann, der mit Cook um die Welt gereist ist, mit der Fleißarbeit eines Bibliothekars im Duodezfürstentum Mainz befreunden?
Das Schlimmste von allem ist, daß er seine Frau nicht glücklich machen kann.
Dreieck mit Meyer
Thereses Schwärmerei für Forster scheint damals, als er nach Göttingen kam, vielen aufgefallen zu sein, nur Forster selbst will davon kaum etwas bemerkt haben. Er habe zuwenig Eigenliebe gehabt, um zu glauben, daß man einen Menschen wie ihn lieben könne. Wohl deshalb war er besonders empfänglich für die Form der Männerbündelei, die damals en vogue war. In den besseren Kreisen gehörte es zum guten Ton, Priester in Sarastros Tempel zu sein. Am bekanntesten sind bis heute die Freimaurer, aber es gab auch noch andere Zirkel. Mit seinem neuen Freund Sömmering trat Forster dem Bund der »Gold- und Rosenkreuzer« bei, die sich auf einen Ordensgründer aus dem frühen 17. Jahrhundert beriefen. Sie verhießen ihren Adepten die Erfüllung von Weltverbesserungsträumen, nährten Allmachtsphantasien und hatten auch für ihre Liebestriebe eine hohe Antwort. Forster verschrieb sich ihnen mit Haut und Haaren und hatte wohl auch deshalb keine Augen für die bewundernden Blicke der kleinen Therese Heyne. »Nichts ist berauschender für einen so eiteln Menschen, wie ich war, als das Glück, den großen Zusammenhang des Schöpfungsplanes zu übersehen, Gott nahe, in ihm gleichsam anschauend Alles zu lesen und konzentriert zu übersehen, was in anscheinender uns unbegreiflicher Unordnung da vor uns liegt, ein Vertrauter der Geisterwelt und selbst ein kleiner Halbgott, ganz Herr der Schöpfung, alle, auch die noch verborgenen Naturkräfte zu kennen, ihnen zu gebieten, und dies Alles durch das leichteste Mittel von der Welt, durch grenzenlose seraphische Liebe gegen das vollkommenste Wesen,innige Vereinigung im Geiste mit ihm, Selbstverleugnung im höchsten Grad, Verachtung alles dessen was die schnöde Welt hochachtet, Entsagung aller Eitelkeit, beständige asketische Gemeinschaft mit ihm, kontemplative sowohl als praktische experimentierende Erforschung der Natur etc.«
Während Forster daran arbeitete, sich mittels des vorgeschriebenen Stufenweges von niederen, tierischen Wesensteilen zu reinigen, um sich dann in einer »Chymischen Hochzeit« mit dem Göttlichen zu verbinden, war es Therese nicht schwer gewesen, Ersatz für ihn zu finden, es gab schließlich genug Studenten in Göttingen. »An Kaffeegesellschaften und Bällen, an Abendbroten und Spaziergängen, auf denen überall die Professorentöchter mit den Musensöhnen zusammentrafen, war kein Mangel.« Sie entdeckte und genoß ihre Wirkung auf Männer und erprobte ihre Macht. Eine schon fest geglaubte Beziehung zerschlug sich, wahrscheinlich weil sie den Geliebten »unbeschreiblich durch Eifersucht« gequält hatte. Als die Eltern sie vorsichtshalber für eine Weile in die Schweiz schickten, weil sie um ihren Ruf fürchteten, riß sie auch dort wieder »verschiedne junge Leute wie im Strudel mit sich fort«, wie sie ihrer Freundin bekannte. »Gute Luise! warum bin ich zu außerordentlichen Narrheiten verurteilt? – Ich war einst schuldlos – wo ist aber die Zeit? schon lange füllt Unruhe und Zweifel mein Herz – ich zittre vor meinem künftigen Schicksal, vor Tod und Leben, und trotze allen beiden. Ach Luise, was Sie hofften, was mein Vater hoffte – ich mache ihrer aller Hoffnung zunichte, und komme wieder so wie Sie mich abreisen sahn. Ohne Ruhe, ohne Tugenden, ohne Fähigkeit glücklich zu sein. Hoffen Sie nicht, daß ich je meine Freunde glücklich mache, ich bin geboren, um Euch zu
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