Auf Forsters Canapé: Liebe in Zeiten der Revolution (German Edition)
meine Phantasie half der Vernunft und ich schwärmte kalt zu sein. – Also ich war Braut.«
Vater Heyne hielt es für klüger, die Hochzeit noch etwas aufzuschieben und Forster erst einmal allein nach Wilna reisen zu lassen. Therese, die sich nach seiner Abreise in einen Grafen Schulenburg verliebt hatte, wurde zu einer kranken Freundin nach Gotha geschickt, wo sie vorläufig bleiben sollte. »Es ist wahr«, kommentierte Luise Mejer, »Therese kann Forster in Göttingen nicht treu bleiben, denn ihr Herz oder Verstand ist von Schmetterlings-Art.«
Ihr Bräutigam wußte, daß er Therese jetzt lieben müsse, aber sein Herz konnte dem Entschluß nicht recht folgen. Er schrieb ihr ellenlange moralisierende und philosophierende Briefe, beichtete ihr seine Schwächen und Irrwege – die Rosenkreuzer! –, sah die »frohe Aussicht« vor sich, »von Ihrer Hand gepflegt, einst ruhig und guten Mutes zu entschlafen« und: »Ich glaube nicht, daß Sie sich je über den zu feurigen Liebhaber beklagen werden; aber den treuen, den gutmeinenden, den dankbaren, den zärtlichen, der nie glaubt, erwidern zu können, was Ihre Liebe ihm schenkt, den hoffe ich, werden Sie nicht an mir vermissen.«
Wie empfänglich er für andere, überhaupt für weibliche Reize war, läßt das Tagebuch seiner Reise nach Wilna erkennen. Man möchte ihm fast wünschen, es wäre nicht erhalten geblieben. Es zeigt den fast Dreißigjährigen als ziemlich larmoyanten Jüngling in sexuellen Nöten, der sich ständig mit Schuldgefühlen quält. »Vergehe mich bis zur Onanie . Das treibt mir alles Gute aus dem Kopf. Wie schwach, wie elend ist doch der Mensch! O wie bin ich so unglücklich!« »Um 4 ins Bad, wollüstig geplätschert, wobei es, trotz aller guten, vorherigen Entschließungendoch wieder zur purgatio kam.« »Nach dem Bade zu Bett, wo ich Büffons Introduction à la Minéralogie lese, und mich sehr vergesse. (Onanie.) Spaziere im Garten, höchst unzufrieden mit mir selbst, bös über das Geschehene, und die Strafe ahnend, scheint mirs, daß ich heut von der dortigen Gesellschaft scheel angesehen und verachtet werde.« Und so immer wieder. Lassen sich die antipolnischen und antisemitischen Ausfälle in diesem Tagebuch als eine Form des Selbsthasses verstehen? »Überall wimmelts von Juden, und Polacken; Unreinigkeit und Schweinerei überall.« »Schweinezucht der Juden, ihre unmenschliche Unreinlichkeit!«
Daß er unterwegs immer wieder mit jungen Mädchen anbändelte und ihnen nicht nur schöne Augen machte, bereitete ihm kaum Gewissensbisse. In Walbeck am Harz (»wer hätte sanfte Seelen da gesucht!«) traf er eine mutwillig-unschuldige Wirtstochter – »hat den Werther gelesen, weiß ihn auswendig, heißt Lotte« –, die ihm gefährlich weit entgegenkam, andere als er hätten das ausgenutzt, lobte er sich. Was war das Besondere an ihm, fragte er sich, das Mädchen »von einem gewissen Schlage« anzog? Nicht nur diese, Forster kam mit seiner arglosen, bescheidenen, um Sympathie werbenden Art überhaupt bei Frauen gut an, trotz seines unscheinbaren Äußeren – klein gewachsen, mit weichen, wenig ausgeprägten Zügen, verfärbten Zähnen, von Pockennarben gezeichnet. »Ach Therese! Du bist die Einzige, die ohne Schwärmerin zu sein, doch Forster lieben konnte. Und o wie sehr fürchte ich eben darum, deiner göttlichen Seele unwert zu sein.« In Wien wurde er hofiert und umschmeichelt. Beglückt flog er wie eine Honigbiene von einer Blume zur nächsten.
»Fräulein Mimi spielt auf dem Klavier und ist sehr kirre … Mimi fast zärtlich. Mit Born zu den Fräulein von Raab. Die eine sieht nicht sehr schön aus, ist aber wegen ihres schönen Klavierspiels und Gesangs, wegen ihres Mineralienkabinetts, und wegen ihrer Kenntnisse überhaupt liebenswürdig. Die andre ist schön, hat wunderschöne Augen, in die ich mich gern vertiefte.«
»Nach dem Essen sehr viel mit Mimi gesprochen; Confidencesmutuelles [wechselseitige Bekenntnisse] Schwester- und Brüderschaft – mit Peppi auch gesprochen, und das gute Kind geküßt. Herr von Hartenstein, dessen Frl. Tochter, ich tue gleich bekannt mit ihr. Frau von Haunold, Frau von Trattern, Gräfin von Thun und Gräfin von Wallenstein, deren Schwester. Um 2 nach Haus. Ziemlich zufrieden von diesem Tag. Wenn ich nur kein solcher Schmeichler wäre. Gute Nacht liebe Therese!«
»Zur Frl. von Raab. Ich werde ordentlich bös, daß Jeannette mit Gemmingen löffelt, und zanke und maule den ganzen Abend mit ihr
Weitere Kostenlose Bücher