Auf Forsters Canapé: Liebe in Zeiten der Revolution (German Edition)
verspricht sie den Lesern eine unblutig endende Variante von Werthers Leiden . Juliette also ist einem abwesenden Herrn von T. versprochen, den sie kaum kennt, ein Arrangement der Familien, dem sie sich gern und freiwillig gefügt hat. Da tritt Julius in ihr Leben und verdreht ihr mit seinen hyperbolischen Schmeicheleien den Kopf.
»Arm, fremd, gelähmt an meinen schönsten Kräften, wäre ich ein Rasender wäre ich ein Hochverräter an der Natur, wenn ich Sie anders anschaute als der Maulwurf die Sonne, an der er einen Augenblick sein finsteres Dasein erwärmt, um dann zurückzukriechen in das enge dumpfe Loch, das ihn lebendig begräbt. So gönnen Sie mir dann immerhin den lichten Punkt in meiner armseligen Existenz, den mir ihre Nähe gewährt.«
Im August 1785 traf Georg Forster in Göttingen ein, um Hochzeit mit Therese zu halten und sie anschließend mit nach Wilna zu nehmen. Sie war über seine Ankunft (viel früher als erwartet) unglücklich – »nur wenige Tage und der Traum ist ausgeträumt« – und gestand Forster ihre Liebe zu Meyer. »Geradezu mit Wonne ging er auf den Freundschaftrausch ein, der beidebeseelte«, schloß Duzbrüderschaft mit Meyer und nannte ihn seinen Assad, in Anlehnung an eine Figur aus Lessings drei Religionen verbrüderndem Toleranzdrama Nathan der Weise . »Forster schwärmte mehr wie wir zwei, ließ uns einander ewige Liebe schwören, bat von mir keinen Kuß, den ich nicht auch Meyer anbot.«
Weshalb ließ Forster sich auf dieses gefährliche Spiel ein? Er und seine Mitspieler waren Kinder einer Zeit, in der der Gefühlskult in höchster Blüte stand, Freundschaft und Liebe einander zum Verwechseln ähnlich sahen und neue Beziehungsmuster erprobt wurden. Rousseau hatte die Utopie einer harmonischen Dreiecksbeziehung in seinem Briefroman Julie ou La Nouvelle Héloïse entworfen. Das Manifest einer neuen, revolutionären Moral, die die Liebe als höchste Tugend predigt, sie von Zwang und Besitzansprüchen löst und die Liebenden in die Freiheit der Selbstdiziplinierung entläßt. Ein Danaergeschenk, wie viele erfahren mußten, die versuchten, nach diesem Evangelium zu leben.
Forster war dafür um so empfänglicher, als sein verehrter Freund, der Philosoph und Schriftsteller Friedrich Heinrich Jacobi, in seinem Roman Woldemar (zunächst unter dem Titel Freundschaft und Liebe erschienen) eine solche Beziehung verführerisch geschildert hatte. »Allwine ruhte an Henriettens Busen. Da empfing sie Woldemars Gelübde, da ergab sich ihre Seele dem Edlen.« Und nach dieser Verlobungsszene, welches Glück! »Jeder Sonnenstrahl wird lebendig, wenn ich ihn in Allwinens und Henriettens Auge erhellen sehe, wenn Allwina und Henriette in ihrem Schein mich umarmen; so wird mir alle Liebe wiedergegeben, die ich hoffnungslos ausgoß ins Unendliche«, schwärmt der Titelheld. »Die frohe, freie, volle Liebe war es, die hatte dies alles getan.« Später gibt es dann doch Probleme.
Wahrscheinlich hat Forster, ein Schwärmer wie Woldemar, tatsächlich in aller Unschuld, ohne sich von seinen Motiven Rechenschaft zu geben, an die Möglichkeit eines Dreiecks nach Maßgabe des Woldemar geglaubt, mehr als Therese und andersals Meyer. Seine Liebe zu Therese wurde durch den Dritten mächtig angefacht, so wie Thereses Liebe zu Meyer durch die bevorstehende Hochzeit mit Forster. Am 4. September 1785 war es soweit.
»Eine sonderbare Stimmung für einen Hochzeitstag! Juliette scheint mir bald ängstlich, bald still ergeben«, schreibt Herr von T. in Mehr Glück als Verstand einem Vertrauten. Die Hochzeitsnacht fällt für ihn aus, ebenso für Forster, der ihr seit Jahren entgegengefiebert hatte. »Juliette folgte, wie gewöhnlich, ihrer Tante, als diese im Begriff war, sich auf ihr Zimmer zu begeben. Die gute Frau schien verwundert, und öffnete den Mund, sehr vermutlich, um etwas Albernes zu sagen. Ich trat zu ihr, ergriff die Hand meiner Frau, küßte diese Hand, wie jeden Abend und sagte ihr gute Nacht. Eine hohe Röte übergoß ihr Gesicht; sie senkte den Blick, den sie erst sinnend auf mich geworfen hatte; sie hielt mir ihre Wange zum Kuß hin – Mit so kühner Sicherheit trägt sie den Zunder an den Rand des Vulkans! Ich berührte mit meinen Lippen die dargebotene Wange und entfloh.«
* * *
Am Tag danach reisten Forster und Therese nach Wilna ab. Unterwegs hielten sie einige Male zu Abschieds- und Antrittsbesuchen an. Zuerst bei Sömmering in Kassel, der Lichtenberg in Göttingen davon
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