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Auf Forsters Canapé: Liebe in Zeiten der Revolution (German Edition)

Auf Forsters Canapé: Liebe in Zeiten der Revolution (German Edition)

Titel: Auf Forsters Canapé: Liebe in Zeiten der Revolution (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Naumann
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sehr wir füreinander leben«, schrieb sie an Sömmering. »Sehen Sie, ich erschrecke, wenn ich denke, was hier aus ihm werden müßte?«
    Hier, das war Polen, die »wüste Insel«, die »sarmatische Wildnis« aus »Sand, Armut, Kot«, in die es sie verschlagen hatte – so sahen sie es beide. In der Kälte des Winters klammerten sie sich aneinander. Auch Therese brauchte ihren Mann als Bundesgenossen gegen die Welt. Darauf und auf der gemeinsamen Schwärmerei für Assad gründete das Eheglück des ersten Wilnaer Jahres. Forster hat für die Völker, die er während seiner Reise mit Captain Cook besuchte, sehr viel mehr Verständnis aufgebracht als für die Menschen in Polnisch-Litauen. Die Oberschicht nannte er geschmacklos, unwissend, oberflächlich,spiel- und prunksüchtig, pfäffisch; das »eigentliche Volk – jene Millionen Lastvieh in Menschengestalt« war in seinen Augen »durch die langgewohnte Sklaverei zu einem Grad der Tierheit und Fühllosigkeit, der unbeschreiblichsten Faulheit und stockdummen Unwissenheit herabgesunken«, daß für seinen Aufstieg zum »gewöhnlichen Pöbel« nicht einmal ein Jahrhundert ausreichen würde.
    Therese stimmte in dieses Lied mit ein. Ihr Herz blutete über das Elend, »das genußberaubte Leben« der ausgebeuteten Bauern, aber sie schrieb auch, die Menschen hier seien »ohne alles Menschliche, die Nation verwildert. Weg mit ihnen allen«. Was die höheren Stände und überhaupt alle ihre Bekannten anging, so dankte sie mit Forster Gott, daß sie nicht so waren wie diese. »Forster und ich sind eine Welt für uns, eine Art Geschöpfe befremdend denen Menschen um uns, ihnen unbekannt, und kennten sie uns, ihnen ein stiller Vorwurf, und also gehässig. Die Menschen um uns her sind keiner fähig zu fühlen was unser Glück ist. Keiner versteht was uns freut: keiner kennt allgemeines Wohl, Verhältnisse der Menschheit, Freuden der Natur, häusliche Glückseligkeit durch Ausbildung des Geistes – die Regierungsform stört hier das alles, macht alle Harmonie und Aufklärung unmöglich; die Nation bleibt blind, die Menschen verderbt.«
    Als der Schnee schmolz und der Frühling kam, hatte sich Forsters Stimmung verdüstert. Er war jetzt wieder oft krank und depressiv, unglücklich über seine Verbannung, schon wieder gedrückt von Schulden, unzufrieden, weil er nichts Großes für die Universität bewirken konnte. Was er hätte erreichen können, war ihm zu gering. Das war gegen den Pakt, den Therese insgeheim mit sich geschlossen hatte. Wenn sie ihn nicht glücklich machen konnte, was für einen Sinn hatte ihre Ehe dann überhaupt noch?
    »Wenn irgendeine Veranlassung uns beide auf einige Augenblicke niederdrückt – und wo finden sich diese Augenblicke nicht? – so ists mir, als wenn nur das Fleckchen Erde, wo wir weinend stehen, für uns da wär, wie ein paar Schiffbrüchige aufeiner Klippe, die nichts wie wilde Wogen um sich hören, die den Schall ihrer Seufzer verschlingen – zweihundert Meilen weit kein lebend Geschöpf, daß es fühlt warum dein Herz blutet! Doch diese Augenblicke gehen bald vorüber. Wenn ich Forster so niedergedrückt seh, so raff ich meinen Mut zusammen, und wisch meine Augen und lächle eins mit zitternden Lippen – und da ists gut, so ruh ich nicht bis ich ihn wieder fröhlich habe. Das kommt nicht oft und bleibt nicht lang. Doch habe ich nie in meinem Leben eine Empfindlichkeit gesehen die des Mannes seiner gleich käme! Wie oft muß sein Herz verwundet gewesen sein ohne eine freundliche Hand die es heilte. Sein ganzes Selbst ist zerrüttet wenn etwas was mich betrifft – besonders wo er sich tadelswert glaubt, ihm schmerzt – das ist kein Zorn, oder Ärger – ein so dumpfer, sprachloser, betäubter Zustand – liebe Mutter was würde nach meinem Tode aus diesen Mann? Und er dürfte nicht sterben, ein ehrlicher Mann darf nicht sterben wenn er unbezahlte Schulden hat, und es ist eine Schmach der Menschlichkeit leben zu müssen, wenn man seines Lebens Seele ins Grab gescharrt hat.«
    Das Töchterchen, das ihnen am 10. August 1786 geboren wurde – zu Forsters Enttäuschung »nur ein Mädchen, aber ein so liebes gesundes Geschöpf, daß es im Ernste muß geliebt werden, bis ich meinem Georg einmal einen Jungen gebe« –, das kleine Röschen also half ihrer Beziehung nicht, im Gegenteil. Es kettete Therese an Forster. Sie war in der Ehe gefangen wie er in Wilna, an das ihn ein achtjähriger Vertrag fesselte.
    Aus eigener Kraft konnte

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