Auf Forsters Canapé: Liebe in Zeiten der Revolution (German Edition)
er nicht hoffen, von dort fortzukommen. Da sprach eines Tages, es war der 2. Juni 1787, ein russischer Marineoffizier bei ihnen vor, der Forster im Auftrag der russischen Zarin Katharina II . ein höchst lukratives Angebot machte: Falls er sich bereit erklären würde, an einer Südsee-Expedition teilzunehmen, würde die russische Admiralität seine Schulden übernehmen, ihn aus seinem Vertrag mit der Universität auslösen, die Kosten für die Ausrüstung tragen und ihm ein sehr gutes Gehalt zahlen.
»Mit dem Entzücken eines freigelassenen Gefangenen verließ Forster mit seiner Frau und seinem Töchterchen Polen, in den letzten Tagen des Augusts 1787. – Die Jahreszeit war dem angrenzenden Schlesien, wegen der Stoppelfelder, nicht günstig, aber das Land schien den Reisenden ein Paradies, und sie durchflogen es wie Menschen, die zum Rechnen keine Zeit haben, denn Forster machte diesen Weg von vierhundert Stunden mit sechs Postpferden. Überall unterwegs empfingen ihn seine Bekannten, als sei er aus einem ungerechten Exil zurückgekehrt, seine nächste Zukunft zog die lebhafteste Teilnahme auf sich – und in einem Taumel von Hoffnungen und Freude trafen die Reisenden in Göttingen ein.«
Dort wartete Meyer.
* * *
Die Ehe ist die ›Verbindung zweier Personen verschiedenen Geschlechts zum lebenswierigen [lebenslangen] wechselseitigen Besitz ihrer Geschlechtseigenschaften‹. Die eine Person kann sich hier (im Geschlechtsgenuß) nur unter der Bedingung zur Sache machen, daß die andere sich ihr ebenfalls als solche gibt; denn nur so gewinnt sie wieder ihre Persönlichkeit. Das Verhältnis der Verehlichten ist ein Verhältnis der Gleichheit des Besitzes sowohl der Personen als der Güter. In der Ehe liegt ein ›auf dingliche Art persönliches Recht‹ vor.
Rudolf Eisler, Kant-Lexikon
Wann immer Therese sich für das Scheitern ihrer Ehe rechtfertigte, nannte sie als wichtigsten Grund physischen Abscheu vor ihrem Mann, dessen »viehische Sinnlichkeit« ihr unerträglich gewesen sei. Sie sprach von ihm also so, wie Forster von den Matrosen auf der Resolution.
Er verstand darunter die ungehemmte, ungebundene, durch keinerlei Gefühle, Liebe, Zärtlichkeit, Respekt, zivilisierte Befriedigung sexueller Begierden.
Was meinte Therese damit? Forster liebte sie, und er war durch die Heirat, mit Kant zu sprechen, zum rechtmäßigen Besitzer ihrer »Geschlechtseigenschaften« geworden. Doch da sie seine nicht haben wollte, war die »Gleichheit des Besitzes« als Fundament der Ehe zerstört. Forsters Sexualität mag robust und ohne Beimischung von Verführung und Erotik gewesen sein, aber wenn Therese sie »viehisch« nannte, umschrieb sie damit wohl, daß Forster seine ehelichen Rechte ohne Rücksicht auf ihre Empfindungen wahrnahm. Sie fühlte sich von ihm vergewaltigt. Er wollte immer. Sie wollte nie. Das ertrug er, solange er sich ihre Abwehr mit weiblicher Schamhaftigkeit und Unschuld erklären konnte. Als er entdeckte, daß sie nur mit ihm nicht wollte, drehte er durch.
Therese an Caroline Böhmer, am 25. Februar 1794:
»Nun kamen wir zurück, und er wurde elend, denn nun sah er, ich hatte ihn nie geliebt. Damals bot ich ihm an, bat, flehte, mich von Meyer zu trennen. Er wollte nicht, er wollte, ich sollte ihn lieben und Meyers Freundin sein – Meyer hätte mich unbedingt besitzen können, aber diesem rätselhaften Menschen mochte nichts daran liegen, er wollte mich verderben, er gab mir elende Bücher zu lesen, er suchte mein Gefühl zu zernichten – und verließ uns. Forster hatte damals meine Seele empört – er wußte, ich liebe einen Andern – er war der Vertraute meiner Unklugheit – er hätte mich einen stillen Lebensweg führen können und bestürmte mich mit Sinnlichkeit. Nun fiel ich in Verzweiflung. Ich war allem Gefühl abgestorben und verfolgte jede Spur desselben mit fanatischer Bitterkeit. Nur Forsters Wohlstand, sein Hauswesen war meine Absicht – ihn mußte ich immer, immer gut sein – er war mir teuer und wert in jeder Rücksicht, wo ich nicht sein Weib war, aber wo ich seine Sinne berührte, mußte ich mit den Zähnen knirschen. Ich sah mich endlich vor eine Hündin an, die das Männchen niederwirft – ich sah es wie die Erniedrigung der Menschheit an – ich hatte einen Grad menschenhassender, alles Gefühl verabscheuender Bitterkeit, die seinem guten Herzen wohl meistens entging.«
Therese an Friederike und Johann Gotthard Reinhold, 24. Februar 1806:
16 Caroline
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