Auf Forsters Canapé: Liebe in Zeiten der Revolution (German Edition)
Venuspriesterinnen, Schornsteinfeger und Stutzer, Invaliden und Schulknaben, Mönche und Gelehrte, Bauern aus den umliegenden Dörfern, Künstler und Handwerker unter ihren Fahnen kamen Arm in Arm in buntscheckigem Zuge, und griffen rüstig und mutig zur Arbeit. Tausend rührende Züge des überall rege gewordenen Gefühls verherrlichten diese geschäftige Szene; tausend gutmütige Scherze, tausend Beweise des Gallischen Frohsinns, tausend Beispiele der Ehrliebe, Großmut und Uneigennützigkeit des Pöbels versöhnten die gedemütigte Morgue des Adels. Um des Schauspiels Täuschung zu vollenden, erschien auch Ludwig der Sechzehnte , ohne Leibwache, ohne Gefolge, allein in der Mitte von zweimalhunderttausend Menschen, seinen Mitbürgern, nicht mehr seinen Untertanen. Er nahm die Schaufel, und füllte einen Schiebkarren mit Erde, unter lautem Jauchzen und Beifallklatschen der Menge. Alles drängte sich zu ihm hin, nannte ihn Freund und Vater , und gab ihm alle die süßen Namen, welche der Despot aus dem Munde seiner Schmeichler nie hört, und welche nur ein guter und gerechter König aus dem Munde eines freien Volkes hören kann.«
In den drei Tagen, die er und Humboldt in Paris waren, wurde Forster vom Freund zum engagierten Parteigänger der Revolution. »Er hatte ihre Erfolge in dem schönsten Bilde der freiesten Ergießung von Freude und Einigkeit gesehen. Erst jetzt war sie für ihn in die Wirklichkeit übergetreten; alles, was fortan dort vorging, knüpfte sich an diese Wirklichkeit, jeder Handelnde, Redende hatte für ihn ein persönliches Interesse gewonnen. Zwei Jahre lang nährte sich seine Phantasie und sein Geist mit dieser großen Begebenheit, und ohne auf die entfernteste Weise mit ihr in Berührung zu stehen, bereitete dieses Interesse ihn zu dem Standpunkt vor, auf den ihn die Begebenheiten des Octobers 1792 versetzten.«
17 Vorbereitung des Föderationsfestes.
Guter Genius
Ökonomisch gesehen war die Reise, an die Forster so große Hoffnungen geknüpft hatte, ein Fehlschlag. In ihren Nachrichten von Johann Georg Forster's Leben zog Therese eine vernichtende Bilanz: »Keine seiner Erwartungen ward befriedigt. Es schien ihn kein Segen auf keinem Schritt dieser Reise begleitet zu haben.« Die einzige Unternehmung, die ihm gelungen sei, habe mehr gekostet als eingebracht, bemerkte sie sarkastisch. Forster hatte nämlich einen Londoner Buchhändler aufgetan, der ihm interessante Bücher und Landkarten druckfrisch zuschicken wollte. Er glaubte sich damit auf dem heißumkämpften Übersetzungsmarkt einen Vorsprung verschaffen zu können. Zwar hatte er tatsächlich einen reichen jungen Engländer gefunden, der als Kostgänger in sein Haus kam. Thomas Brand, so sein Name, wollte Deutsch lernen, um Kants Schriften im Original lesen zu können. Aber Forster verstand es nicht, daraus finanziellen Vorteil zu ziehen. »Statt sich die Gelegenheit einer Pension von einem reichen Engländer zu Nutze zu machen, berechnete er sie für einen deutschen Beutel, und jeder Geldvorteil fiel hinweg.« Der einzige Gewinn, den er aus dieser Reise gezogen habe, sei wohl die Freundschaft mit Alexander von Humboldt gewesen.
Und das Buch, das er aus Tagebuchaufzeichnungen, vor allem aber aus den Briefen an sie komponiert hatte? War das für sie tatsächlich nichts ?
Nach der Ankündigung des Werkes war es Forsters Schwiegervater ganz bange geworden. Einen Erfolg hielt er für höchst zweifelhaft. Schließlich hatte Forster diesmal nicht unerforschte Südseeinseln besucht, sondern zivilisierte europäische Länder nebenan. Unbekanntes also werde er seinem Publikum nicht bieten können, dafür gebe es reichlich Gelegenheit, durch allzu freimütige Äußerungen Anstoß zu erregen, zumal in diesen politisch aufgeregten Zeiten. »Sie gehen auf Kohlen, und ich wünsche daß Sie nichts schreiben, was Ihre Ruhe untergräbt.« Einen Brief später präzisierte er, was ihm besondere Sorgen bereitete: »Ich hörte, Sie würden die Briefe an unsre Therese richten; wie leicht wäre es da, zum Exempel, daß Sie mehr Zärtlichkeit ausdrückten als einmal der gesellschaftliche Zustand erlaubt!«
1791 erschien in der Vossischen Buchhandlung in Berlin der erste Band der auf drei Teile berechneten Ansichten vom Niederrhein, von Brabant, Flandern, Holland, England und Frankreich im April Mai und Junius 1790 , ein Jahr später der zweite Band. Zum geplanten dritten, England und Frankreich behandelnden Teil ist es nicht gekommen. Huber hat ihn
Weitere Kostenlose Bücher