Auf Forsters Canapé: Liebe in Zeiten der Revolution (German Edition)
bei. Nun also machte sich Paine, mittlerweile wieder in England, ein zweites Mal für eine Revolution stark. Wohl auch aus enttäuschter Liebe. Wie Forster hatte er bisher geglaubt, daß Burke auf seiner Seite stünde. Christopher Hitchens, der Paines Gegenrede eine spannende Monographie gewidmet hat, nennt sie »einen der ersten modernen Texte«, ein »begeisterndes Fanal« (a trumpet of inspiration) und eine »sorgfältig gearbeitete Blaupause für eine vernünftigere, anständigere Gesellschaftsordnung«.
19 Thomas Paine. Stich von
William Sharpe, nach dem Gemälde
von George Romney, 1792.
Am 4. Juni 1791 schrieb Forster an Voß:
»Ich habe aus England eine bewunderungswürdige Schrift von Thomas Paine, dem berühmten Verfasser des Common sense erhalten. Sie heißt The Rights of Man und ist wider Herrn Burke gerichtet. Vier Editionen sind schon vergriffen, Sie ist aber so demokratisch , daß ich sie wegen meiner Verhältnisse nicht übersetzen kann. Madame Forkel übersetzt sie und ich will sie ihr revidieren.«
Wer war diese Madame Forkel? Forsters Biographen haben sich für seine Beziehung zu ihr wenig interessiert, und auch sie selbst ist wegen ihres »lockeren Lebenswandels« lange mit Mißachtung gestraft worden. Es ist erstaunlich, wie leichtfertig wir oft moralische Urteile der Vergangenheit übernehmen, deren Prämissen wir längst nicht mehr teilen. Erst 2001 ist die erste Biographie über diese Frau erschienen, die wie Therese und Caroline eine Professorentochter aus Göttingen war.
Sophia Margareta Dorothea, genannt Meta, geboren 1765 als Tochter des Göttinger Stadtpredigers und Philosophieprofessors Rudolf Wedekind. Mit sechzehn flüchtet sie in die Ehe mit Johann Nikolaus Forkel, dem angeblichen Liebhaber von Therese Forsters Mutter, und wird mit ihm unglücklich. Mit achtzehn schreibt sie einen Roman, dessen Figuren nach Göttinger Modellen gezeichnet sind. Unnötig zu sagen, daß ihr das Hohn und Spott einträgt. Eine Affäre mit dem Dichter Gottfried August Bürger zerbricht, angeblich, weil die »liederliche« Meta andere Liebhaber neben ihm hat, weshalb Bürger sich in seiner Ehre gekränkt fühlt, sie öffentlich denunziert und ihr den anzüglichen Schimpfnamen Furciferaria verpaßt. Meyer alias Assad, der Therese nicht lange zuvor mit Forster sitzengelassen hatte, schreibt an ihn: »Über die Furciferaria, die ich freilich nicht mag, weil sie mir immer zu schmutzig war, auch nicht verstand sich zu kleiden, kann ich dennoch nicht urteilen wie Ihr. Daß sie mehrere zugleich geliebt und genossen hat, harmoniert sehr mit meinen Grundsätzen; ich tue das nämliche so gut ich kann und weiß, und gestehe Euch, ich finde ein solches Behagen daran, daß ich ordentlich seitdem ich dieses erfahren eine Art Estime für sie gefaßt habe.«
Meta flüchtet nach Berlin, wohin ihr ein Göttinger Theologiestudent folgt. »Er ist der Unglückliche unter vielen andern, die gleiches Recht dazu hätten«, weiß Caroline Böhmer. Beraten und unterstützt von dem Theaterdirektor und Schriftsteller Johann Jacob Engel versucht Meta, sich als Übersetzerin aus dem Englischen und Französischen eine eigene unabhängige Existenzzu schaffen. Im August 1789 kommt sie nach Mainz, um ihren Bruder Georg zu besuchen und Beziehungen zu Forster zu knüpfen, der sich ihrer annimmt, hoch erfreut, eine Mitarbeiterin für seine »Übersetzungsfabrik« gefunden zu haben. Er wird ihre Übersetzungen durchsehen, mit Einleitungen und Fußnoten versehen und unter seinem zugkräftigen Namen veröffentlichen, so wie es sein Vater einst mit ihm gehalten hat. (Nur gelegentlich, bei Romanen und einem pädagogischen Ratgeber für junge Mädchen, arbeitete sie »in eigener Regie«.)
Zurückgekehrt nach Göttingen und zu ihrem Mann, machte sich Meta an die Arbeit. Auf Bitten Forsters unterstützte Heyne sie mit den nötigen Büchern. »Die gute Frau! wenn das Übersetzen sie nur zu einer guten Hausfrau machte! Von daher kam doch der erste Quell des Übels! Daß Forkel nicht weniger Schuld haben mag, zweifle ich gar nicht; daß sie auch selbst mehr zu bedauern als anzuklagen ist, gebe ich zu. Aber sie sollte doch den äußerlichen Wohlstand beobachten, und nicht den Tag zehenmal als eine Schlumpe und Bacchante über die Straße laufen.«
Einer der ersten Aufträge war ein Reisebuch von Helen Maria Williams' Freundin Mrs. Piozzi. Die Honorare ließ Forster ihr durch den Schwiegervater zukommen: »Ich fürchte, gäbe ich es auf die Post
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