Auf Forsters Canapé: Liebe in Zeiten der Revolution (German Edition)
Landsleute eine Verwendung für ihn haben würden.
Auf Forsters Canapé
Am 30. März, als Forster den Franzosen ein neues Departement gleichsam zum Geschenk macht, verläßt Caroline Böhmer Mainz in Richtung Frankfurt, zusammen mit Meta Forkel, deren Schwiegermutter, deren Schwägerin und vier Kindern. Unterwegs werden die Frauen von preußischen Vorposten verhaftet, verhört und auf die Festung Königstein gebracht, weil sie mit führenden Mainzer Klubisten verwandt oder liiert sind. Sippenhaft also.
Für Caroline, die allgemein als Geliebte Forsters gilt, ist die Lage bedrohlich. Sie ist nämlich schwanger. Der Vater des Kindes ist ein neunzehnjähriger französischer Leutnant. Passiert ist es in einer rauschenden Ballnacht im Februar – ganz so schlimm kann es mit Carolines Gicht also nicht gewesen sein. Sie setzt Himmel und Hölle in Bewegung, um ihre Freilassung zu erreichen, bevor ihre Schwangerschaft offenbar wird. Für den Fall eines Scheiterns ist sie fest entschlossen, sich umzubringen. »Ihr Zustand wäre Beweis gewesen für eine ehebrecherische Beziehung zu Forster, und die Tatsache, daß der Vater ein Besatzungsoffizier war, wäre um keinen Deut besser gewesen.« Gerade noch rechtzeitig, am 14. Juli, wird Caroline aus der Haft entlassen. Die Fürsprache ihres Bruders beim preußischen König hatte Erfolg gehabt. Wenig später kommen auch Meta und die Wedekind-Frauen frei.
Der anonyme Verfasser des Schmähstückes, das im Sommer 1793 erschien, unter dem Titel Die Mainzer Klubbisten zu Königstein oder Die Weiber decken einander die Schanden auf , hat nichts von Carolines Schwangerschaft gewußt, aber auch so spielte er ihr übel mit. Politische und sexuelle Revolution sind für ihn zwei Seiten einer Medaille, was er nach bewährtem Muster propagandistisch nutzt: Er denunziert die Republikaner moralisch, um damit zugleich ihre Gesinnung zu denunzieren. Seine Klubisten sind windige, opportunistische, vergnügungssüchtige Libertins, mit besonderer Lust aber schwingt er die Moralkeule gegen die demokratischen Gelüste der Frauen. Die Zustände im Forsterschen Haus lieferten ihm reichlich Stoff für das Sittenbild einer revolutionären ménage , das auffällig präzise Insider-Kenntnisse mit Spekulationen und übler Nachrede verknäult. Huber kommt ganz schlecht weg, Therese wird vergleichsweise glimpflich behandelt, Forster selbst bleibt weitgehend verschont, was dafür spricht, daß der Verfasser ihm nahestand. Man hat anSömmering gedacht, der sich von der Revolution und von Forster gleichermaßen abgewandt hatte. Carolines Biograph Eckart Kleßmann will ihm das nicht zutrauen, meint aber, er könnte sehr wohl der »Zuträger« des Skribenten gewesen sein.
Als Probe daraus die (gekürzte) erste Szene des Stücks, das nach der Verhaftung der Frauen einsetzt, mit einem Zickenkrieg zwischen der Bürgerin Böhmer, »einer viel versprechenden und wenig haltenden Witwe«, und der Bürgerin Forkel, »Taglöhnerin bei der englischen Übersetzer-Fabrike des Bürger und Mainzer Nationalkonvents Deputierten, Forster«. Außerdem tritt als moralische Instanz die Mutter von Meta und dem »großen Erzbürger« Wedekind auf.
»Zimmer der Bürgerin Böhmer.
Bürgerin Wedekind. Wohin mich arme alte Frau, mit einem Fuße im Grabe, die Raserei, die Blindheit, die Nichtswürdigkeit meines Sohnes bringt!
Bürgerin Böhmer. Sie sind unwürdig, die Mutter eines so großen Mannes zu sein. Ihrem ersten Schmerz und Ihrem Alter will ich diese Sprache verzeihen.
Bürgerin Forkel. Wenn Sie darinne fortfahren, Mama, so werde ich bei dem Kommandanten die Motion machen, daß man sie augenblicklich aus diesem Zimmer und aus unserer Versammlung weise.
Bürgerin Wedekind. Da verlöre ich einen schlechten Trost an Dir, besonders ungeratene Tochter. Aber um Gottes Willen, an was dachtet Ihr, den Weg einzuschlagen und Euch unsern Feinden in die Hände zu liefern?
Bürgerin Böhmer. Ich glaubte nicht, daß die Preußen, schon so tief von der ursprünglichen Würde der Menschheit, von der edlen Freiheit herabgesunken wären, um sogar drei unverfängliche Frauenzimmer zu arretieren.
Bürgerin Wedekind. Was schwätzt ihr da wieder von ursprünglicher Würde und Unverfänglichkeit? Seid Ihr nicht den ganzen Tag mit Klubisten herumgezogen, habt Ihr Euch nicht öffentlich als Freiheitsheldinnen zur Schau gestellt, habt Ihr nicht laut gegen die Mainzer Bürger geschimpft, daß sie nicht schwören wollten, habt Ihr nicht zu der
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