Auf Forsters Canapé: Liebe in Zeiten der Revolution (German Edition)
fortfahren«, schrieb Forster Mitte März an Therese, die in Neuchâtel zu seinem Kummer unter den Einfluß von Feuillants, also Anhängern einer konstitutionellen Monarchie, geraten war. Gesundheitlich gehe es ihm aber weiter gut, was ihn wundere, »bei allem was in mir durcheinander stürmt. Vor lauter Arbeit kann ich nichts arbeiten. Des Abends sind wir jetzt öfters mit den Kommissarien der Nationalkonvention und des Vollziehungsrates zusammen; neulich tranken jene zum erstenmal den Tee bei mir, gestern bei der Böhmerin. Diese reist mit Madame Forkel in wenig Tagen ab. So wenig sie mir waren, so zerstreuten sie mich doch und die treuherzige, ehrliche Forkeln werde ich doch vermissen. Wenn ich dann nur bald von hier wegkomme! … Wär ich nur erst in Paris!«
»So wenig sie mir waren«?
Forster war gleich von zwei Wahlkreisen in den Konvent gewählt worden, der ihn am 18. März bei der konstituierenden Sitzung zum Vizepräsidenten bestimmte und auf seinen Antrag hin der »Vereinigung des freien Deutschland mit der Frankenrepublik« per Akklamation zustimmte. Die erste Republik auf deutschem Boden! Die Rede, die er drei Tage später hielt, glich einer Predigt.
»Mitbürger! der schreckliche Tag des Gerichts ist gekommen; die letzte Stunde der Tyannei hat geschlagen; Verstockung, blinde Wut und ohnmächtige Überspannung ihrer letzten Kräfte sind die Zeichen des scheußlichen Todeskampfes, in welchem sich jetzt das sterbende Ungeheuer zu unseren Füßen windet. Ja! gerecht ist Gott! Der Sieg der Vernunft ist vollkommen«. Seinem dringenden Wunsch gemäß gehörte Forster zu den Delegierten, die den Reunionswunsch des Mainzer Konvents in Paris vortragen sollten, zusammen mit zwei anderen Delegierten, dem Kaufmann Andreas Potocki und Adam Lux. Der Bauernsohn aus Kostheim hatte in Mainz Philosophie studiert und war 1784 mit einer Dissertation zum Thema »Enthusiasmus« promoviert worden. » Enthusiasmus executionis fons et parens multarum revolutionum «, heißt es darin, »Enthusiasmus ist die Quelle und der Vater vieler Revolutionen«. Er war ein Anhänger Rousseaus, konnte dank seiner Heirat mit einer wohlhabenden jungen Frau als »philosophischer Bauer« leben und bewirtschaftete ein eigenes Landgut.
Am 25. März brachen die drei auf, vier Tage später waren sie in Paris und stiegen im Hôtel des Patriotes Hollandais in der Rue des Moulins ab. Am nächsten Morgen wurden sie von poissardes willkommen geheißen und abgeküßt, wofür sie ein Trinkgeld geben mußten. Dann verlas Forster im Konvent die »überschwenglich-unterwürfige Reunionsadresse«, die den wirtschaftlichen und strategischen Wert dieses neuen französischen Departements nach Kräften herausstrich: »Durch die Vereinigung mit Uns erhaltet Ihr ein Land, wo die Natur ihre Güter mit milder Hand verbreitet hat; ein fruchtbares Erdreich, einen gemäßigten Himmelsstrich … Mainz am Zusammenfluß des Rheins und desMains, wo der Handel Deutschlands sich in der Hand des fränkischen Kaufmanns sammlen wird; – Mainz, den Schlüssel des deutschen Reiches und die einzige Öffnung, durch welche noch Eure Provinzen den Armeen und den Artilleriezügen der Feinde zugänglich blieben; – Mainz endlich, das die Meister in der Kunst als ein Meisterstück von Befestigung anerkennen, woselbst die ohnmächtigen Bemühungen der gegen Euch verschworenen Despoten zu Schanden werden müssen, so oft sie es wagen dürften, das unsinnige Projekt eines Angriffs in Ausübung zu bringen.«
Doch obwohl beide Seiten durch eine Vereinigung Vorteile hätten, sollte es keine kleinliche Abrechnung geben: »Die Liebe der Völker, wie die Liebe der Geschlechter macht alles gleich: und wissen wir nicht, daß wenn Ihr unsre Bitten gewährt, wenn Ihr die rheinisch deutsche Gegenden der fränkischen Republik einverleibet, nur die Aufrichtigkeit und Wärme, womit wir uns in Eure Arme werfen, Euch allein bestimmen werden?« – Der Antrag wurde »unter vielfältigem Beifallklatschen« angenommen.
Einen Tag später traten Forster und Lux dem Pariser Jakobinerklub bei. Sie hatten vor, noch ein paar Tage zu bleiben und dann heimzukehren, doch daraus wurde nichts. Die militärische Lage hatte sich schneller geändert als vermutet. Während sich die Franzosen immer weiter zurückzogen, rückten die Alliierten vor und schnitten Forster den Weg nach Mainz ab. Er war in Paris gestrandet, mit den Kleidern, die er auf dem Leibe trug, sechs Hemden und der vagen Hoffnung, daß seine neuen
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