Auf Forsters Canapé: Liebe in Zeiten der Revolution (German Edition)
(Weint.)«
Pariser Ansichten
Die Liebe ist die einzige Sucht, die sich von der Unerreichbarkeit ihrer Droge nährt.
Esther Vilar
Es ist nicht ohne Ironie, daß ausgerechnet Forsters Haus als eine Art Kommune, als Ort simultanen Demokratisierens und Caressierens in Mißkredit geriet. Denn so vehement er Freiheit und Gleichheit predigte: was die Geschlechterrollen angeht, war er alles andere als revolutionär. Er sah den Mann als Beschützer und Versorger, die Frau als Hausfrau und Mutter, glaubte an eine doppelte Moral und war von der geistigen Überlegenheit desMannes überzeugt, jedenfalls prinzipiell. Er war Kopf, sie Herz. Wie seine »feurige« Therese eben, die sich alle Mühe gab, als Musterbild einer Frau comme il faut zu erscheinen. Sie hatte eine Heidenangst davor, als Blaustrumpf zu gelten, und empfand es als unangenehm, mit einer »zweideutigen« Intellektuellen wie Madame de Staël verglichen zu werden, wie sie behauptete. Sie habe das Wissen »ewig als eine große Nebensache für ein Weib behandelt«, in ihrem Leben »außerdem nie etwas erlernt, sondern alles nur so aufgelesen« und wünsche nicht, daß man sie für eine gelehrte und geistreiche Frau halte. »Ich wars nie, und machte nie Ansprüche daran, denn ich war immer mehr wie das.« Hier wie in anderen Dingen wollte sie den Kuchen zugleich essen und behalten.
»Ich ehre mich mehr weil ich schnell einen guten Strumpf stricke als weil Goethe bei meinem unbefangnen Geschwätz gerührt nachdachte und meinen Geist pries. Dieser Geist machte meines edeln Forster Unglück, mein weiches Herz, mein häuslicher Fleiß, mein Leben als Hausweib wog acht Jahr lang sein Elend auf.« Eine Frau wie die Staël hätte Forster »frei gelassen« und dann vergessen, meinte sie, sie aber liebte er weiter.
Man kann sich vorstellen, was Therese und Forster von einer »zweideutigen« Frau wie Mary Wollstonecraft hielten, deren Vindication bald nach Erscheinen in einem der vielen Londoner Bücherpakete in Mainz eintraf.
Nun gehört die Verfasserin der »Rechte des Weibes« zu Forsters ersten Pariser Bekanntschaften. Wie viele Leser hat er sie sich als grimmige Amazone vorgestellt, als eine, die die Männer attackierte, weil sie keinen abgekriegt hatte – und wird angenehm enttäuscht. »Sie ist ein sehr artiges Weib, und hat viel Liantes [Entgegenkommendes], mehr als Engländerinnen zu haben pflegen.« Gleich zu Beginn lernt er auch den schottischen Arzt, Publizisten und Geschäftsmann Thomas Christie kennen, »der zu Gunsten der französischen Revolution mit viel Beifall geschrieben hat. Seine Frau und seine Schwester sind bei ihm, und ganz gegen die Art der Engländerinnen, sind sie artig undumgänglich. Die Schwester besonders hat viel Artigkeit und Munterkeit, mit viel Verstand und Bildung. Ich werde auch nach einigen Tagen die Dichterin Miß Williams kennen lernen, die sich nebst ihrer Mutter hier aufhält und nicht minder gefällig sein soll. Christie hat mich eingeladen, die Abende, so oft ich will, bei ihm zuzubringen, und ich gestehe, daß es mir wohl tut, unter Engländern zu sein und ihren ruhigen Freiheitssinn statt des überspannten hiesigen Fanatismus zu genießen. Warme Empfindung und kalte Überlegung ist das Los dieser glücklichen Menschen, da hingegen bei den meisten Franzosen das Herz Eis ist und nur der Kopf glüht.«
Durch seine Herkunft und Biographie ist Forster ja selbst ein halber Engländer und hat mit seinen neuen Freunden nicht nur politisch viel gemeinsam. Schon längst kennen sie einander aus ihren Veröffentlichungen. Bald verbringt er fast jeden Abend bei Christies, »weil man mich gerne sieht«, weil Mary Wollstonecraft dort verkehrt und weil er Christies Schwester Jane attraktiv findet. Bei einem Ausflug nach Versailles, dessen Park nun dem Volk offensteht, lesen er und Jane zusammen Les Chateaux d'Espagne – »ein sehr niedliches kleines Lustspiel« – und weiht sie ihn in ihre unglückliche Herzensangelegenheit ein, die von der Familie mißbilligt wird. »Der Schatz ist in England, und so viel ich gehört habe, ein schöner junger Franzose, der ehemals ein Adjutant von Lafayette war.« Forster glaubt zu bemerken, daß Janes Bruder eine Verbindung zwischen ihr und ihm nicht ungern sähe, und hat den Eindruck, »daß Miss sehr geneigt gewesen ist, vernünftig zu handeln, wie man das nennt«. Er habe aber deutlich gemacht, daß aus der Sache nichts werden könne.
Am 15. April ging Forster mit Jane, Helen Maria Williams
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