Auf Forsters Canapé: Liebe in Zeiten der Revolution (German Edition)
und Mary Wollstonecraft in die Oper, um sich mit ihnen das Ballett Das Urteil des Paris anzusehen. Hätte er sich für eine seiner Begleiterinnen entscheiden müssen, wäre der Apfel an Mary gegangen. Wie Wilhelm von Humboldt später in Paris hörte, soll Forster eine unerwiderte Leidenschaft für sie empfunden haben. Vielleicht erklärt das, warum er so schlecht auf Wilhelm vonWolzogen zu sprechen war. Er sah in dem lebenslustigen jungen Diplomaten, der sich im Geheimauftrag des Herzogs von Württemberg in Paris aufhielt, einen begünstigten Nebenbuhler: »[Er ist] ein bonvivant , mit ungeheuerm embonpoint und breiten Schultern, was ihm bei den Engländerinnen die Reputation eines schönen Mannes zu wege bringt, die er mir doch nicht gerade zu verdienen scheint.«
Schon wenige Wochen nach seiner Ankunft in Paris hat Forster einen großen internationalen Bekanntenkreis. Sein Name öffnet ihm auch hier alle Türen.
»Chamfort ist mir sehr gut; den ehrlichen Bernardin de St. Pierre habe ich einmal besucht, er wohnt mir aber zu weit ab. Custine, der Sohn, hat mir noch gestern versprochen, mich zu Condorcet zu führen. An Thomas Paine habe ich nicht viel gefunden. Er ist besser in seinen Schriften zu genießen. Das Launigte und Egoistische mancher Engländer hat er im höchsten Grade. Sein Gesicht ist feuerrot und voll purpurner Knöpfe, die ihn häßlich machen; sonst hat er eine spirituelle Physiognomie und ein feuriges Auge. Einige Deutsche, die sich hier aufhalten, kommen öfter mit mir zusammen, unter andern ist ein Graf Schlaberndorf aus Schlesien, ein junger Oelsner, eben daher, der auch in Christie's Hause bekannt ist, ein junger Schwabe, namens Kerner, der für die Hamburger Zeitung hier Nachrichten schreibt. Schlaberndorf, in dem gesetzten Alter von vierzig Jahren, ist ein sehr kluger, einsichtsvoller Demokrat und ein Mann von reifer Erfahrung. Er kennt Europa sehr genau, besonders England. Oelsner hat sich hier viel Bekanntschaften gemacht und viel Lokalkenntnisse erworben, er weiß alles mit dem rechten Ausdruck und Kunstwort zu nennen, kennt den ton de conversation , ist joli cœur bei den Damen und macht artige Bemerkungen mit einer Leichtigkeit, die an französische grenzt. Der kleine Schwabe Kerner sprüht Freiheit wie ein Vulkan und ist originell und gutherzig, wie ein junger Schwabe sein muß, er hat Kopf und Energie. Dazu ist er Dr. der Medizin.«
Sehr gut gefiel ihm auch die Amazone Théroigne de Méricourt, die ehemals als Heldin gefeiert und mit der Bürgerkrone geehrt worden war, nun aber in Ungnade gefallen und von fanatischen Marktweibern mißhandelt worden war. »Denke Dir ein 25 oder 28jähriges braunes Mädchen, mit dem offensten Gesicht, mit Zügen die einst schön waren, es zum Teil noch sind und einen einfachen, edlen, festen Charakter voll Geist und Enthusiasmus verraten; besonders viel sanftsprechendes in den Augen und Munde«, schwärmt er Therese vor. »Ihr ganzes Wesen ist aufgelöset in Freiheitssinn, sie spricht unaufhörlich nur von der Revolution, und wohl zu merken, alle ihre Urteile waren treffend, ohne Ausnahme richtig, bestimmt und gerade trafen sie auf den Punkt woraufs ankam. Diese Bekanntschaft machte uns allen Vergnügen.«
Anders als die Bekanntschaft mit dem Schweizer Bankier Johann Caspar Schweizer und dessen Frau Magdalena, die seit 1786 in Paris lebten und in ihrem luxuriös eingerichteten Stadtpalais einen Salon führten. Schweizer »war einer der hochherzigsten und unglückseligsten philanthropischen Schwärmer, der nie das Gleichgewicht der Seele gefunden hat«, schreibt Jakob Baechtold, »ein Mann, dessen erhitzter und beständig irregeleiteter Phantasie sich Welt und Menschheit nur durch das trügerische Prisma der Poesie zeigten, der, unstet in allem, was er unternahm, an seine Geistesüberlegenheit glaubte und absichtlich die Gefahr suchte, der unermüdlich wohltätig und leichtgläubig, das Opfer aller Schwindler und Abenteurer der alten und neuen Welt geworden ist. Weltverbesserer, Projektmacher und leider auch Kaufmann, Kunstsammler, Schriftsteller und Dichter, mit unersättlichem Trieb zur Bildung, aber ohne rechte Grundlage, schwankt er, von den edelsten Absichten beseelt und doch oft verdammt und immer verlacht, stets auf der Grenze zwischen Wahnsinn und vernünftigem Tun.«
Die Septembermassaker und die Hinrichtung des Königs hatten die Schweizers zu erbitterten Feinden der Jakobiner gemacht und Magdalena an der Revolution verzweifeln lassen, was
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